Mein Schmetterlingsjahr 2021 für einheimische Tagfalter beginnt diesmal extrem früh. Am 27. Januar 2021 ist im Keller bei durchschnittlich 10 Grad Celsius tatsächlich ein Waldbrettspiel ausgeschlüpft.
Im vergangenen Herbst fand ich eine grüne Raupe, die ich nicht richtig bestimmen konnte, langsam an einem Fenster vom Wintergarten hochkriechen. Zuvor wurden die Wasserpflanzen vom Gartenteich geschnitten, sodass die Vermutung nahe lag, dass die Raupe hiervon gestört wurde und nun sozusagen die Flucht ergriff.
Mit meinen Bestimmungsversuchen vermutete ich Thymelicus sylvestris, den Braunkolbigen Dickkopffalter. Die Raupe ist sehr ähnlich und ich wäre aufgrund des Fundortes nie auf Pararge aegeria gekommen. Zwar grenzt unser Garten unmittelbar an ein kleines Waldstück, wo auch regelmäßig das Waldbrettspiel nachgewiesen werden kann. Doch war die unmittelbare Fundstelle direkt in Hausnähe, wo direkt der Gartenteich an die Terrasse anschließt und dementsprechend auch nur Wasserpflanzen wachsen. Also eher nicht die richtigen Habitatansprüche für diese Art.
Eine weitere Überraschung war schließlich der zeitlich frühe Schlupf des Falters. Zwar gehört der Falter zu den ersten, die in der neuen Schmetterlingssaison recht früh zu sehen sind, aber Januar ist deutlich zu früh. Im Keller herrschen zwar keine Gefriertemperaturen, aber es bleibt stets kühl und dunkel.
Während draußen sogar noch Schnee liegt, hat sich der Falter innen entschlossen, auszuschlüpfen.
Der Falter ist noch am Leben. Die Temperaturen sind zurückgegangen und das Tier hat seine Vitalfunktionen auf ein Minimum zurückgefahren. Bei etwa 8 Grad Celsius ist das sicher eine Herausforderung für einen Falter, der eigentlich erst im Frühjahr erscheinen sollte. Als Futter dient derzeit eine überreife Banane, die auch bei Temperaturen im zweistelligen Bereich angenommen wird.
Wenn man diesen Begriff in eine Suchmaschine seiner Wahl eingibt, werden etliche kommerzielle Angebote aufgelistet. Dass mit lebenden Tieren Handel betrieben wird, ist definitiv keine neue Erkenntnis. Dass aber speziell Kindergärten und Schulen als Kunden akquiriert werden, ist in diesem Fall schon ziemlich skurril.
Vorwiegend werden Raupen der Schmetterlingsart Vanessa cardui verwendet, auch als Distelfalter bekannt. Problematisch daran ist, dass dieser Schmetterling ein ausgesprochen typischer Wanderfalter ist, der in seinem Lebenszyklus je nach Generation weite Strecken zurücklegt. Nicht selten wandern die ausdauernden Flieger von Afrika über die Alpen bis nach Skandinanvien (in mindestens 3. Generationen).
Die Raupen jener Generation, die in Mitteleuropa Station macht, findet man gelegentlich an deren Futterpflanzen (Disteln, Brennesseln, auch Malve, Soja oder Schafgarbe werden angenommen). Es ist jedoch quasi unmöglich, Raupen in großer Zahl und gezielt für den Versand an Kunden aus der Natur zu entnehmen. In Deutschland schiebt einer Entnahme von Pflanzen und Tieren aus der Natur das Bundesnaturschutzgesetz weitreichend einen Riegel vor. Kommerzielle Zwecke sind definitiv ausgeschlossen.
Es liegt also die Befürchtung nahe, dass die Vertreiber von solchen Zuchtssets in recht großem Stil die Falter in Gefangenschaft halten, um diese Angebot gewährleisten zu können.
Diese Tiere müssen demnach in ausreichend großer Zahl in dafür definitiv zu kleinen Zuchtanlagen gehalten werden. Anfragen hierzu an einige Lieferanten blieben unbeantwortet…
Eine andere Methode, wohl auch die effizientere, ist der Import der Raupen. So umgeht man das deutsche Bundesnaturschutzgesetz (§39) elegant.
Mit diesem Schmetterlings-Zucht-Set wird das Naturerlebnis zum AHA-Erlebnis. Züchten Sie mit Ihrer Kindergarten-Gruppe oder Schulklasse aus kleinen Raupen wunderschöne Schmetterlinge (Distelfalter)! Sie können die spannende Entwicklung des hier einheimischen Distelfalters aus den Raupen hautnah beobachten. Dies ist in der Natur so kaum möglich – ein AHA-Erlebnis der besonderen Art! Die Zucht ist einfach und unkompliziert und die Kinder werden begeistert sein! Das Zucht-Set enthält alles, was Sie zur Zucht benötigen. und außerdem noch viel tolles Zubehör!
Von „Naturerlebnis“ kann nicht die Rede sein. Die Raupen leben in einem Behältnis, welches mit einer merkwürdigen Nahrungspaste bedeckt ist. In der Natur spinnen sich die Raupen zwischen Blättern lose ein. Das kann nicht gewährleistet werden unter diesen Umständen. Als Pädagoge sollte man ernsthaft darüber nachdenken, ob diese Art einer naturfremden Aufzucht tatsächlich einen Sinn ergibt. Und nicht zuletzt ist es auch für die Tiere nicht die natürliche Umgebung. Raupen wollen im Prinzip nur fressen, aber dennoch sollte man bei der Zucht darauf achten, dass die Umstände auf die Tiere abgestimmt sind. Zuchtssets dieser Art erfüllen diese Anforderungen nicht.
Problematisch ist auch, dass die Käufer solcher Zuchtsets den Zyklus dieser Falterart nicht kennen. In der Natur wandern die Distelfalter der 1. Generation aus Zentral- und Nordafrika in den Mittelmeerraum ein. Dort paaren sich die Falter und die Weibchen legen Eier. Erst wenn der gesamte Zyklus wieder Falter hervorbringt, steht die nächste Etappe auf dem Programm. Die Falter wandern jetzt nach Mittel- und Nordeuropa ein. Das ist eher selten vor Juni der Fall. Entlässt man jedoch Falter aus Zuchtsets vor dieser Zeit in die Freiheit, sind die Chancen für eine Reproduktion der Art eher bescheiden.
Pädagogisch ist die Verwendung solcher Zuchtsets auch extrem fragwürdig. Es fehlt schlicht der Bezug zur natürlichen Lebensweise der Tiere. Das Futter ist nicht echt, die Zuchtbedingungen sind schlecht und die natürliche Wirklichkeit wird verzerrt.
Alternativ kann man sich an Schmetterlingsfreunde und Hobby- Entomologen wenden, die in der Regel gerne unterstützend tätig sind.
Update:
Inzwischen tauchen vermehrt auch Zuchtsets mit der Art Papilio machaon (Schwalbenschwanz) auf.
Dabei handelt es sich um eine in Deutschland streng geschützte Art.
Das Unternehmen erdreistet sich sogar, diese Schmetterlingsart nach ihrem Firmennamen zu benennen:
Der Macaone-Schmetterling ist mit seinen prächtigen Farben eine der schönsten Arten Europas.
Zudem wendet man sich an Naturliebhaber, die für gewöhnlich solche Praktiken nicht gut heißen: Auch der Schwalbenschwanz besitzt seine Lebenszyklen. Die typische Raupenzeit in Mitteleuropa ist für die 2. Generation der Monat Juni. Mit ein bis zwei Wochen davor und danach dürfte das Raupen- bzw. Puppenstadium ausgereizt sein. Die Falter fliegen dann im Juli und August. Dann erscheinen auch die Raupen dieser Generation, die sich noch bis Anfang Herbst verpuppen und so überwintern. Wenn die Schlüpfphase der Zuchtset- Falter nicht in diese Zeit fällt, ist auch hier keine Reproduktion der Art möglich. Die Raupen fressen in der Natur übrigens Doldenblütler wie Fenchel, Dill oder Möhrenkraut und noch einige andere Pflanzen.
Noch schlimmer ist, dass sogar Tierquälerei beworben wird:
Schmetterlinge einheimischer Arten können die Protagonisten spektakulärer Freilassungen (Butterfly-Release) auf Partys, Hochzeiten und anderen Veranstaltungen sein. Besuchen Sie die Website hier. Unsere Schmetterlinge werden mit fortschrittlichen Techniken gezüchtet, unter voller Berücksichtigung ihrer biologischen Bedürfnisse.
Ich unterlasse es, auch noch zu solch einer Internetpräsenz zu verlinken.