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Wenn Worte zur Waffe werden – Ideologisch gefärbter Sprachgebrauch

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Kommentar: Wenn Worte zu Waffen werden – Ideologisch gefärbter Sprachgebrauch – und seine Auswirkungen auf Bewegungen wie die Montagsmahnwachen

Die Sprache ist eine Form der Verständigung zwischen uns Menschen. Diese Kommunikation basiert auf der Grundlage, dass die Bedeutung der verwendeten Worte jedermann bekannt ist und in der allgemein gültigen Form auch von jedermann angewendet und verstanden wird. Dies ist die Basis dafür, dass das gesprochene oder geschriebene Wort vom Zuhörer / Leser eben jene Auslegung erfährt, die der Sprecher / Verfasser ihm geben wollte.

Im täglichen Leben funktioniert das eigentlich ganz gut. Man redet miteinander, tauscht also Informationen aus. Und wenn man sich in der Kassenschlange im Supermarkt darüber auslässt, dass die Lebensmittelpreise vor ein paar Jahren noch niedriger waren, dann versteht jeder Umstehende, worum es geht; weniger Ware für das gleiche Geld. Alles ganz einfach.

Allerdings drängt sich mir in letzter Zeit immer mehr das Gefühl auf, dass in mancherlei Beziehung die anatomische Entwicklung, welche den Homo Sapiens vom Menschenaffen unterscheidet und damit die Grundlage für die Kommunikation durch Sprache schuf, auch Nachteile hat. Nämlich immer dann, wenn dieses Kommunikationswerkzeug zur Waffe umfunktioniert wird.
Und ich meine damit zwar auch Schimpfwörter und Fäkalsprache, mehr noch aber geht es mir um die Verzerrung ursprünglicher Bedeutungen und Aussagen, wie sie im ideologisch gefärbten Sprachgebrauch an der Tagesordnung sind. Dort werden Begriffe mit Bedeutungen in Verbindung gebracht, die sie aus sprachwissenschaftlicher Sicht nie hatten oder haben dürften. Und diese Praxis produziert bestenfalls Verwirrung und Missverständnisse und gipfelt allzu oft sogar in offenen Feindseligkeiten.

Ein Beispiel von vielen: Du kannst in Deutschland (darf ich das Wort eigentlich noch verwenden, ohne gleich als Nationalist dazustehen?) einen VW fahren und dein Konto bei der Volksbank unterhalten. Aber wehe du stellst dich vor andere Menschen hin und verwendest das Wort „Volk“ im Rahmen einer Kundgebung. Dann bist du ein Nazi, ein Nationalist, ein Ausländerfeind und Antisemit.

Warum ist das so?

1989 sind wir in der ehemaligen DDR auf die Straße gegangen. Der Slogan der Montagsdemonstranten „Wir sind das Volk“ bedeutete damals für uns: „Wir sind viele! Und wir lassen uns von Euch wenigen nicht länger bevormunden und unterdrücken!“ Unter dem Slogan „Wir sind ein Volk“ wurde 1990 die Wiedervereinigung vollzogen.
Und dann passierte es: In bewährter Manier versuchte man, sich diesen Slogan, mit dem wir einen friedlichen Umsturz bewirkt hatten, von Seiten der NPD anzueignen und ihm eine ganz andere Bedeutung zu geben. Plötzlich stand das so friedliche, geschichtsträchtige „Wir sind das Volk“ für „Zuerst wir Deutschen, dann alle anderen“ und bekam damit einen ausländerfeindlichen und antisemitischen Anstrich. „Völkisch“ eben. Wobei ich mich frage, ob dieses Wort zuvor überhaupt existiert hat, oder erst im Nachhinein im Rahmen der linken Distanzierung entstanden ist.

Nicht, dass ich diesen Distanzierungswunsch nicht nachvollziehen könnte – wer will schon mit „Kackbraun“ in einen Topf geworfen werden? – aber in diesem Zusammenhang erscheint es mir, als hätte man damit das Wort „Volk“ einfach irgendwelchen Nazis überlassen. Wie einen ausgespuckten Kaugummi. „Iiiih, den will ich jetzt nicht mehr!“ Und es damit für weiteren Missbrauch freigegeben. Und mir scheint, dass diesem Distanzierungswunsch mittlerweile Vorrang vor allen Programmen und Zielen zugestanden wird. Womit aus dem Mittel der Distanzierung ein Mittel zur Selbstkastration wurde.

„Kackbraun“ kommt seitdem vermutlich aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, denn wenn sich jetzt zuvor politisch uninteressierte Menschen zusammenfinden, um im Rahmen von Kundgebungen, Demonstrationen oder Mahnwachen ihre Stimmen zu erheben, sollten sie zuvor besser das Programm linker Parteien und Organisationen und den links-ideologisch korrekten Sprachgebrauch gründlich studiert haben. Weil sie sonst nämlich von gerade jenen, die sich eigentlich vor Begeisterung über das endlich erwachende Bewusstsein der Bürger (darf ich dieses Wort noch verwenden?) Luftsprünge veranstalten müssten, als „neu-rechts“, „antisemitisch“, „völkisch“, „nationalistisch“ oder gar „rechtsradikal“ eingestuft und hartnäckig bekämpft werden.

Und natürlich werden die wahren Rechten immer auf einen dergestalt daher rollenden Karren zu krabbeln versuchen – wer könnte einer solchen Einladung widerstehen?

Was beide Seiten wohl niemals verstehen werden, ist, dass ihre eigene ideologisch geprägte Sicht ihnen hier Freund- und Feindbilder vorgaukelt, die mit der Realität einer Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft absolut nichts zu tun haben. Und dass es von Vermessenheit kündet, von politisch nicht vorgebildeten Menschen zu verlangen, dass sie die ideologisch geprägten Sprachverzerrungen nicht nur kennen, sondern sich ihrer auch noch bedienen.

Nach meiner Beobachtung ist es so, dass wir – zumindest was bestimmte Bereiche der Kommunikation betrifft – tatsächlich verschiedene Sprachen sprechen.

Menschen, die sich selbst nicht als Politiker verstehen und mit deren Winkelzügen und glattzüngigen Lügen nichts zu tun haben wollen, gehen auf die Straße, um ihren Unmut kund zu tun und Veränderungen zu fordern. Und sie tun das so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wer Ohren hat, um zu hören, sollte sie benutzen. Und darüber hinaus sollte er sein Hirn nicht dazu zweckentfremden, nach „Codes“, verborgenen „Botschaften“ und „Hintergedanken“ zu suchen, wo eben mangels bestimmter ideologischer Sprachfärbungen keine sein können, sondern es in dafür vorgesehener Weise einsetzen, um die Informationen aufzunehmen, statt sie auf der Basis eigener Vorurteile falsch zu interpretieren.

Frau von Ditfurths Einstufung der Mahnwachen für den Frieden, öffentlich verkündet am 16. April in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“ , resultiert aus dieser Fehlinterpretation heraus. Denn statt die Menschen auf den neuen Montagsdemos als das zu sehen, was sie sind, versucht sie, sie in die aus ihrer eigenen Weltsicht resultierenden Schubladen zu pressen. Sie versucht also gewissermaßen, die Realität an ihre eigene Ideologie anzupassen.

Dass die Mainstreammedien auf diesen Karren aufgesprungen sind, verwundert nicht angesichts der harschen Kritik, welche auf den Mahnwachen für den Frieden an der Berichterstattung geübt wird. Von unparteiisch ist da nicht viel zu entdecken. Umfassend ist sie angesichts vieler unterschlagener Informationen auch nicht. Und die Verbindung führender Medien mit diversen Think-Tanks, welche ausgerechnet von der Comedy-Sendung „Die Anstalt“ am 29. April offengelegt wurden, sowie die daraus resultierenden Interessenkonflikte geben den protestierenden Menschen recht.

Eine Folge dieser Diffamierungskampagne ist ein Rechtsstreit zwischen Frau von Ditfurth und Herrn Elsässer, dem Herausgeber des Compact-Magazins, der Verleumdungsklage eingereicht hat, weil er von ihr in oben erwähnter Fernsehsendung als „glühender Antisemit“ bezeichnet worden war. Da ich keine Wertung vornehmen kann und will, ob diese Aussage der Wahrheit entsprach oder nicht, weise ich in diesem Zusammenhang also nur auf ein weiteres Beispiel dafür hin, wie missbräuchlich Sprache in diesem ideologisch geprägten Kampf eingesetzt wird.

Frau von Ditfurth ruft auf ihrer Facebook-Seite ihre Anhänger auf, für die Gerichtskosten zu spenden. Ich halte das sogar für legitim, denn erstens können all jene, die sich ihr anschließen und andere Menschen als „Neu-Rechte“ diffamieren, sich ruhig auch an dem finanziellen Risiko ihrer Handlungen beteiligen, und zweitens nutzt Herr Elsässer schließlich diesen Rechtsstreit ebenfalls, um Werbung für das Compact-Magazin zu machen. Was mich allerdings stört, ist ein Post vom 28. Mai, in dem sie über den Zwischenstand (einstweilige Verfügung des Landgerichtes München) informiert. Dort befinden sich einige Fotos von der Mahnwache für den Frieden in Erfurt am 26. Mai diesen Jahres, auf der Herr Elsässer gesprochen hat. Und ein Mann trägt dort tatsächlich ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „National – Revolutionär – Sozialistisch“.

Und hier kann Frau von Ditfurth der Versuchung einfach nicht widerstehen. Sie, die in ihrem Interview bei „Kulturzeit“ so eindringlich verkündet hat, dass „Sprache ihr Werkzeug ist“, funktioniert dieses Werkzeug ein weiteres Mal zu einer Waffe um, indem sie im Postskriptum verkündet: „Inzwischen ist Elsässer, wie im Netz vielerorts dokumentiert, erneut als Redner vor „national-revolutionär-sozialistischem“ und anderem rechtsextremen Publikum aufgetreten (am 26.5.2014 in Erfurt).“ Sie schreibt nicht: „Vor einem Publikum, in dem sich auch eine Person in einem T-Shirt befand, welches auf rechtes Gedankengut schließen lässt“ – Nein – sie stuft alle dort versammelten Menschen in dieselbe Kategorie ein und wirft ganz beiläufig auch noch die Besucher der anderen Mahnwachen und Veranstaltungen, bei denen Herr Elsässer jemals geredet hat, dazu.

Sprache als Werkzeug zur Kommunikation? Das Vorgenannte geht für mich weit darüber hinaus. Denn wenn eigentlich intelligente Menschen mit hohen moralischen Standards eine evolutionäre Errungenschaft nur noch zur Zementierung des eigenen engstirnigen Weltbildes und als Knüppel gegen jeden vermeintlich Andersdenkenden missbrauchen, muss ich mich nicht länger fragen, warum überall auf der Welt Kriege geführt werden können. Wir nehmen uns selbst aus dem Spiel, indem wir unsere Schwächen kultivieren und unsere Stärken verleugnen.

Für alle Menschen, die sich wirklich über die Mahnwachen für den Frieden und ihren Initiator informieren möchten, verweise ich auf ein jetzt erschienenes Interview von KenFM mit Lars Mährholz. Und hier spricht kein Politiker, kein „Wahnwichtel“ (eine Wortschöpfung von Frau von Ditfurth) und auch kein „Neu-Rechter“. Hier kommt ein Mann aus der Mitte der Gesellschaft zu Wort, der sich nicht darauf beschränkt, seine eigene Weltsicht aggressiv vor möglichen Erschütterungen zu bewahren.

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Gedanken und Statements zur Wahl

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Am Sonntag ist es mal wieder so weit. Wir sind aufgerufen, unser Wahlrecht auszuüben, in manchen Landkreisen parallel zur Europawahl auch auf kommunaler Ebene. Im Grunde bedeutet das, die Alibi-Funktion unserer repräsentativen Demokratie zu aktivieren, damit wir uns in den nächsten paar Jahren der wohltuenden Illusion hingeben können, Einfluss auf die Politik unserer Kommunen ausgeübt zu haben. Und – Trommelwirbel und Fanfarenklang – sogar auf die Politik Europas.

Doch zuerst einmal zu den Begrifflichkeiten. Eine repräsentative Demokratie wie die unsere zeichnet sich dadurch aus, dass der Souverän „Wähler“ in regelmäßigen Abständen seine Stimme abgibt. Nach Auszählung der Stimmen steht dann fest, welche Partei zukünftig wie viel Einfluss auf das politische Geschehen haben wird. Im Grunde klingt das ganz gut – zumindest, wenn man sich darauf verlassen könnte, dass Wahlversprechen auch eingehalten werden.

Der negative Nebeneffekt ist allerdings, dass der Wähler nach der Stimmabgabe keinerlei Einfluss mehr darauf hat, welche Politik in seinem Namen gemacht wird. Einzige direkte Einflussmöglichkeit ist in einer repräsentativen Demokratie nämlich der Lobbyismus. Und diese Möglichkeit wird von Finanz- und Wirtschaftsunternehmen auch gern und vor allem oft genutzt. Dem Souverän „Wähler“ steht sie allerdings nicht zur Verfügung. Und von Seiten diverser Politiker ließ man diesbezüglich bereits des Öfteren verlauten, dass eben dieser Souverän – ihr Arbeitgeber also – auch zukünftig nicht in der Lage sein soll, direkteren Einfluss auf das zu nehmen, was man in seinem Namen beschließt und durchführt.

Direkte Demokratie ist nicht erwünscht.

Darüber kann man nun denken, was man will. Ich persönlich zöge es allerdings schon vor, mich in solchen Angelegenheiten wie z.B. den diversen Freihandelsabkommen an den Entscheidungen zu beteiligen. Denn immerhin muss ich ja auch mit den Auswirkungen leben.

Aber kehren wir noch einmal zurück zur repräsentativen Demokratie. Und stellen wir uns die grundlegende Frage: Kann sie überhaupt funktionieren?

Die Antwort ist einfach. Ja. Sie kann. Allerdings nur dann, wenn die gewählte Regierung konsequent und ausschließlich die Interessen der Wähler vertritt. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass es weder Lobbyismus geben dürfte, noch irgendwelche Hinterzimmerpolitik. Dass Politiker grundsätzlich nicht in Aufsichtsräten von Finanz- oder Wirtschaftsunternehmen sitzen dürften und Politikerkorruption hart geahndet werden müsste. Und dass die Medien als „vierte Macht im Staate“ die Aufgabe erfüllen müssten, jedweden Verstoß gegen diese Regeln aufzudecken und gnadenlos anzuprangern, statt diese zu begünstigen und sich sogar daran zu beteiligen. Denn sonst ist eine repräsentative Demokratie nichts als eine gut verpackte und clever vermarktete Lüge. Womit wir wieder bei der Alibi-Funktion der Wahlen wären.

Werfen wir doch einen kritischen Blick auf das, was dort zur Auswahl steht:

Spielen Grundsätze und Programmatik überhaupt noch eine Rolle?

Zunächst einmal haben wir da die Herrschaften zweier Parteien, die sich „christlich“ nennen. Den Unterschied zwischen „sozial“ und „demokratisch“ halte ich dabei für relativ geringfügig, zumal ich persönlich mittlerweile immer mehr den Eindruck gewinne, dass man in diesen Kreisen die Bibel schon vor einiger Zeit weggeschlossen hat und nun auf diverse Freihandelsabkommen schwört, die weder das eine noch das andere symbolisieren. Ich halte diese Art von Politik für nicht sonderlich glaubwürdig.

Die zweite Option ist eine Partei, deren Vorsitzender vor der letzten Bundestagswahl noch ausdrücklich betonte, dass man keine genmanipulierten Lebensmittel wolle. Laut, deutlich und sehr pathetisch. Als Mitglied der GroKo sieht man das jetzt aber völlig anders. Jetzt sind eben diesem Herrn die voraussichtlichen 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum offenbar jedes Opfer der Wähler wert. Da spielen sich „vor der Wahl“ und „nach der Wahl“ nicht einmal im gleichen Universum ab. Die gleiche Partei stellt übrigens auch unseren Außenminister, einen Mann, der in Kiew in aller Öffentlichkeit die Hände von Faschisten schüttelt und deren Gegner als Separatisten verunglimpft. Meiner Meinung nach ist beides nicht sonderlich Vertrauen erweckend.

Dann gibt es da noch eine Partei, die alles verraten hat, wofür sie einstmals stand, indem sie dazu übergegangen ist, wie ihre Kollegen aus den vorstehenden Beispielen für verantwortungslose Politik, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu befürworten. Offenbar hält man in deren Reihen seit einiger Zeit das Blut unschuldiger Zivilisten oder radioaktiven Fallout für Naturdünger. Das ist in meinen Augen absolut nicht hinnehmbar.

Über die Herrschaften von weiter rechts und rechts außen lasse ich mich gar nicht erst aus. Ich bin für eine tatsächlich funktionierende Demokratie. Noch totalitäreren Müll als bisher müssen wir uns nun wirklich nicht antun. Und jenen, die man womöglich mit dem „Migrantenproblem“ geködert hat, möchte ich an dieser Stelle mal ein paar logische Gedankengänge nahelegen. Solange wir selbst nämlich im Interesse des eigenen Wohlstands über unsere Militär- und Wirtschaftsbündnisse dazu beitragen, in anderen Ländern Kriege zu führen oder deren Wirtschaft so zu beeinträchtigen, dass dort große Teile der Bevölkerung verelenden, dürfen wir uns wohl kaum über die Kehrseite dieser Medaille beklagen. Wie in jedem anderen Fall gilt auch hier: Die Ursachen des Problems müssen beseitigt werden. Stattdessen einfach etwas gegen die Symptome zu unternehmen wäre lediglich Make up und völlig verantwortungslos.

Ganz ehrlich? Für mich persönlich sehe ich nach all den obigen Betrachtungen nicht mehr sonderlich viel Auswahl.

Das große Schweigen

Aber unabhängig davon, wie jeder einzelne sich am Sonntag entscheidet, ist Fakt, dass unsere Demokratie schrittweise immer weiter demontiert wird. Fremde Interessen werden inzwischen ganz offen über die der Wähler gestellt. Und wir unternehmen nichts dagegen. Wir schweigen dazu. Ich sehe es jeden Tag.

Zugegeben, es ist eigentlich kein richtiges Schweigen. Nein, gemeckert wird wie immer überall. Im Supermarkt über die Lebensmittelpreise. Auf der Post über das Porto. An der Tankstelle über die Treibstoffpreise. An jedem einzelnen dieser Orte über das niedrige Einkommen allgemein, die niedrigen Löhne im Besonderen und natürlich über die KoBa, was in dem Landkreis, in dem ich zu Hause bin, die Entsprechung der Arge ist.

Und über die Politik regt sich nun wirklich jeder auf. Darüber, dass „die da oben“ einfach „machen, was sie wollen“.

Wir alle schweigen verdammt laut, wenn ich das mal so sagen darf.

Aber was ist es anderes als Schweigen, wenn ich meinen Unmut zwar kundtue, aber an der falschen Stelle? Was kann die Kassiererin im Supermarkt an den Schikanen von Hartz 4 ändern? Welchen Einfluss hat die Frau bei der Post auf die Benzinpreise? Oder der Verkäufer an der Tankstelle auf das Lohngefüge, insbesondere den Billiglohnsektor? Und ist es nicht merkwürdig, dass irgendwie alle der gleichen Meinung sind, aber immer nur hinter der vorgehaltenen Hand?

Unser Land ist zur „Schweigenden Republik“ geworden.

Ist es da ein Wunder, dass man uns mittlerweile für obrigkeitshörig und feige hält? Verhalten wir uns nicht genau so? Jeder sieht die Probleme um sich herum. Jeder kennt mindestens eine Person, wenn nicht gar mehrere, die hart darum kämpfen müssen, um wenigstens einigermaßen über die Runden zu kommen, oder ist sogar selbst von den Schwächen unseres Systems betroffen. Aber wenn man etwas dazu sagt, dann entweder hinter verschlossener Türe, aus der eingebildeten Anonymität eines Facebook-Accounts mit einem niedlichen Fantasienamen heraus oder nur zu anderen Menschen, die an genau derselben die Demokratie immer weiter zersetzenden Artikulationsstörung leiden. Und wenn es gar darum geht, etwas zu tun, aktiv zu werden, ist es ganz vorbei. Die meisten warten darauf, dass jemand kommt, der es für sie tut. Der sich für sie einsetzt. Der es ihnen schön und bequem macht, so dass sie sich nicht selbst bewegen, geschweige denn äußern müssen.

Jemand, der den Kopf für sie hinhält.

Findet sich tatsächlich ein solcher Jemand, so wird höflich Beifall gespendet, aber natürlich möglichst dezent, denn auch dabei will man ja nicht auffallen. Oder er wird in der Luft zerrissen, weil er es nicht genau so macht, wie der Untätige sich vorstellt, dass es gemacht werden sollte. Und wenn derjenige dann womöglich scheitert – weil einer allein eben nichts bewegen kann – dann wird entweder bedauernd oder gar schadenfroh mit den Achseln gezuckt. Und hinterher beschweren sich wieder alle, weil alles beim Alten ist.

Weil „die da oben“ noch immer „machen, was sie wollen“.

Und was in meinen Augen das Schlimmste ist: Als Folge des Achselzuckens beim Scheitern des armen Alleingelassenen bleibt der Kopf gleich noch ein gutes Stück tiefer als zuvor zwischen den Schultern stecken. Nur nicht auffallen. Nur nichts sagen. Nur nichts tun, wofür man vielleicht die Verantwortung übernehmen müsste.

Inzwischen stehen wir vor dem Trümmerhaufen der Demokratie in Europa. Dazu, dass es so weit gekommen ist, haben wir mit unserem Schweigen maßgeblich beigetragen. Politik wird mittlerweile ganz offen über unsere Köpfe hinweg gemacht. Wir werden manipuliert, belogen und betrogen. Man kann das mit uns machen, weil wir uns dumm und verantwortungslos verhalten. Und weil jeder nun einmal nach seinen Taten beurteilt wird – nicht nach seinen Worten im stillen Kämmerlein.

Also verkauft man uns, den dummen, schweigenden Wählern, ganz ungeniert TTIP, CETA und TISA als Wirtschaftswunder, obwohl von vorn herein völlig klar ist, dass diese Wunder sich nur auf die Guthaben diverser großer Konzerne auswirken und dass das angebliche Wirtschaftswachstum selbst im günstigsten Falle kaum ins Gewicht fallen wird. Mexiko zum Beispiel hat nach der Unterzeichnung eines solchen Abkommens namens NAFTA mit den USA und Kanada leidvoll erfahren müssen, dass alles, was vorher schon im Argen lag, sogar noch viel schlimmer werden kann. Ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosenzahlen war die Folge.

Was werden die Politiker in Brüssel sagen, wenn es auch bei uns so weit ist? „Ups, wir haben uns wohl verrechnet, tut uns leid? Aber da wir schon mal dabei sind, wie wäre es mit einer leckeren Portion Sozialabbau für das Wahl- und Zahlvieh?“

Falls sie sich diesbezüglich überhaupt zu einem Kommentar herablassen, wird er vermutlich genau so lauten. Allerdings marketingtechnisch besser verpackt. Denn auch Niederlagen sind schließlich Siege, nicht wahr? Jedenfalls für jemand anderen. Und wir werden dann immer noch schweigend dastehen und brav hinnehmen, was man uns zuteilt. Denn mit uns kann man es ja machen. Wir sind ja Kummer gewöhnt. Wir sind ja gehorsam – und stolz darauf.

Wir sagen ja nichts. Wir tun ja nichts. Wir schweigen nur laut, während wir weiterhin brav unsere Stimmzettel ausfüllen und uns dann einreden, aktiv auf die Politik in unseren Kommunen und – Trommelwirbel und Fanfarenklang – ganz Europa Einfluss genommen zu haben. Unsere Pflicht uns und unseren Kindern gegenüber erfüllt zu haben.

An diesem Punkt stellt sich mir allerdings die Frage: Haben wir das? Haben wir das wirklich?

Ich denke, der Gang zur Wahlurne reicht nicht länger aus. Ich persönlich wähle mittlerweile beinahe jeden Tag. Und zwar mit meiner Brieftasche. Denn wenn ich mich dagegen entscheide, bestimmte Konzerne zu „unterstützen“, indem ich ihre Produkte konsumiere, wenn ich mich dafür entscheide, das Auto stehenzulassen, wenn ich örtliche Erzeuger unterstütze, mein Obst und Gemüse selbst anbaue oder es wie meine Eier direkt vom Bauern kaufe, dann bewirke ich etwas. Nur im Kleinen, sicher. Aber auch eine einzelne Stimme in einer Wahlurne ist schließlich nur ein winzig kleiner Beitrag zum Wahlergebnis. Und wenn jeder so handeln würde, wäre dies ein unübersehbares Statement, welches „die da oben“ nicht lange ignorieren könnten.

Ja, ich gehe am Sonntag zur Wahl und gebe meine Stimme einer Partei meines Vertrauens. Aber dabei bleibe ich nicht länger stehen. Ich lasse mein Wahlrecht, mein Mitspracherecht nicht länger auf einen einzigen Tag alle paar Jahre beschränken. Und ich wähle ganz bewusst die Möglichkeit, mich über mein Konsumverhalten weitestgehend von einer Politik zu distanzieren, die zwar in meinem Namen gemacht wird, aber nicht in meinem Sinne ist.

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Liebe Sophie Scholl – Gedanken zum Geburtstag einer mutigen Frau

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Liebe Sophie Scholl,

heute würdest Du Deinen 93. Geburtstag feiern. Du würdest ihn feiern in einem Land, das vom NS-Regime befreit, über lange Zeit geteilt und schließlich wieder vereinigt wurde, nachdem Hunderttausende friedlich dafür demonstrierten, nicht länger von ihren Verwandten getrennt in zwei verschiedenen Gesellschaftssystemen zu leben. Du würdest im Kreis Deiner Familie sitzen, Torte essen und über den gedeckten Kaffeetisch ein Lächeln mit Deinem Bruder Hans tauschen, der, selbst inzwischen 95 Jahre alt, eure Kinder und Enkelkinder mit stolzen, liebevollen Blicken betrachten würde.

Wenn man euch beide nicht schon als junge Menschen ermordet hätte.

Eure Kinder wurden nie geboren. Euer Leben wurde beendet, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Was Ihr uns – statt Eurer Nachkommen – hinterlassen habt, ist Euer Vermächtnis.
Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg.

Liebe Sophie, ich betrachte Deine Fotografie im Internet – eine Erfindung, die es zu Deiner Zeit überhaupt noch nicht gab – und grübele darüber nach, wie unterschiedlich die Zeiten sind, zu denen wir leben oder lebten. Und wie erschreckend gleich sie wieder zu werden drohen.

Wieder gibt es ein Land in Europa, in dem Faschisten einen Teil der Regierung stellen. Einen erschreckend großen Teil. Wieder fließt das Blut von Zivilisten, die sich diesem Regime nicht widerstandslos unterwerfen wollen. Und wieder droht ein Krieg, der ganze Länder verwüsten und Millionen von Opfern fordern würde. Ein Krieg, der die ganze Welt vernichten könnte, weil wir inzwischen nicht nur das besagte Internet erfunden haben, sondern auch über Massenvernichtungswaffen verfügen, die Hunderttausende auf einmal töten können.

Ja, Sophie, wir Menschen haben es weit gebracht in den letzten 71 Jahren. Unsere Technologien ermöglichen es uns, schneller zu produzieren, weiter zu reisen, das Weltall zu erforschen und uns gegenseitig auf unsagbar hohem Niveau zu ermorden. Es lebe der Fortschritt.

Aber in den Dingen, auf die es ankommt, sind wir offenbar stehen geblieben. Wir haben noch immer nicht gelernt, dass Kriege keine Probleme lösen. Wir haben noch immer nicht begriffen, dass Gewalt verwerflich ist und überragende militärische Stärke nicht damit gleichzusetzen ist, im Recht zu sein. Und im Augenblick habe ich Angst, dass uns keine Zeit mehr bleibt, diese Dinge zu lernen.

Ich bin halb so alt, wie Du jetzt wärst und mehr als doppelt so alt, wie Du werden durftest. Und ich frage mich, wie es sein kann, dass ein knapp 22jähriges Mädchen so viel mehr über das Leben, über Recht und Unrecht wusste, als es heute die meisten Menschen unseres Landes tun. Ich frage mich, was Du denken würdest, wenn Du uns in all unserer Gleichgültigkeit, unserer Bequemlichkeit und unserer Ignoranz erleben könntest. Was Du sagen würdest zu uns, die wir der drohenden Gefahr nicht geschlossen entgegentreten, sondern uns in kleinlichen Deutungsfragen zerfleischen, statt über den Tellerrand der eigenen Interessen hinaus einen Blick auf das Große Ganze zu werfen, aufzustehen und gemeinsam unsere Stimmen zu erheben.

Der Ruf wäre derselbe, wie das Vermächtnis, das Du uns hinterlassen hast: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.

Aber es gibt da ein paar Menschen, liebe Sophie, die verstanden haben. 30.000 von 80 Millionen. In den Augen mancher Leute mag das ein Witz sein. Aber angefangen hat alles noch viel kleiner. Ein Mann, ein Berliner, hat vor zwei Monaten einen Anfang gemacht. Er hat am Brandenburger Tor zu einer Mahnwache für den Frieden aufgerufen. Ganz allein. Und die Menschen kamen. In der ersten Woche waren es 100 Leute, in der zweiten 400 und in der dritten bereits 1.400. Jetzt, wenige Wochen später, gibt es die Mahnwachen für den Frieden in 53 Städten. Jeden Montagabend mit mittlerweile 30.000 Teilnehmern.

Niemand hilft diesen Menschen, ihre Proteste zu organisieren. Keine Partei steht hinter ihnen und unterstützt sie. Keine Organisation berät sie. Sie kommen zusammen, um gegen das neue faschistische Regime zu protestieren, das man mit Hilfe unserer eigenen Regierung in einem anderen Land installiert hat, und dagegen, wie es gewaltsam gegen seine Gegner unter der Zivilbevölkerung vorgeht. Sie machen Fehler und lernen daraus, sie unterstützen sich gegenseitig, sie reden miteinander, streiten miteinander, lachen miteinander, weinen miteinander. Und das, obwohl sie unterschiedlichen Ethnien, Religionen und Gesellschaftsschichten angehören.
Und was sie ganz sicher niemals tun werden, liebe Sophie, ist aufgeben.

Dein Kampf ist wieder aktuell geworden in unseren Tagen. Er ist jetzt ihr Kampf, unser Kampf. Und wir kämpfen ihn an Deiner Statt. Und einer Sache sind wir uns ganz sicher; wärst Du noch am Leben, so stündest Du – notfalls auf einen Stock oder den Arm eines jener Enkelkinder gestützt, die Dir nie vergönnt waren –, in unserer Mitte.

Liebe Sophie, neben meinem Laptop steht eine schmale blaue Vase mit einer einzelnen weißen Rose darin. Die Blume ist nur aus Plastik, denn es ist noch nicht die Zeit für Rosen. Aber wichtiger als ihre Beschaffenheit ist das, wofür sie steht. Sie ist ein Symbol. Ein Zeichen der Unbeugsamkeit, ein Zeichen des Kampfes, ein Zeichen der Hoffnung.

Wir sind Menschen. Wir sind fähig zu lernen. Aus unseren eigenen Fehlern, aber auch aus den Fehlern der Generationen vor uns. Wir sind fähig, über uns hinauszuwachsen. Wir sind fähig, den Bedrohungen des Faschismus zu trotzen. Wir sind fähig, unseren Nachbarn die Hände zu reichen und uns mit ihnen gegen das zu verbünden, was einstmals einen Teil der Welt zerstörte und viele Millionen Menschen das Leben kostete. Und wir sind fähig zu erkennen, dass nun die Zeit gekommen ist, genau das zu tun.

Liebe Sophie, ich habe Erfahrungen machen dürfen, die Dir niemals vergönnt waren. Ich habe drei Kinder im Arm halten und sie in Frieden aufwachsen sehen dürfen. Ich habe ein Enkelkind von vier Jahren, das gerade dabei ist, sich selbst und die Welt zu entdecken. Und ich werde alles, was in meiner Macht steht, dafür tun, jene, die ich liebe, vor einem Krieg zu bewahren. Das habe ich mit all den Teilnehmern der Mahnwachen für den Frieden gemein. Und das eint mehr, als eine gemeinsame Ethnie oder Religion es vermögen würde.

Heute, an Deinem Geburtstag, gedenke ich Deiner und all jener, die wie Du ihr Leben opferten um das vieler anderer zu retten. Heute streiche ich mit den Fingern über die weißen Blütenblätter einer Plastikrose und frage mich, ob ich den Mut hätte, so wie Du mein Leben einzusetzen, für das was richtig und notwendig ist. Ich möchte glauben, dass ich es könnte. Und gleichzeitig hoffe ich, dass es nie erforderlich sein wird. Dass die Menschheit weise genug ist, sich nicht selbst in einem sinnlosen Krieg zu vernichten. Ich bin Atheistin, daher ist mir das Gebet nicht gegeben. Mein Glaube ist der an die Menschen, nicht an Gott. Und auf ihnen ruht auch meine Hoffnung.

Und natürlich darauf, dass Dein Vermächtnis von ihnen nicht vergessen wird.

Ich sende Dir einen Gruß voller Liebe und Hochachtung.

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VON SPLITTERN UND BALKEN IN DIVERSEN AUGEN

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Liebe Freunde,

ich bin besorgt. Ich bin besorgt über einige Entwicklungen der letzten Zeit. Ich bin besorgt darüber, wohin sich unser Land entwickelt. Nein, eigentlich bin ich nicht einfach nur besorgt, ich habe Angst.

Letzte Nacht lag ich lange wach und habe darüber nachgedacht, was in unserem Land zur Zeit passiert. Wir haben eine große Koalition, welche im Bundestag eine Mehrheit von etwa 80 Prozent besitzt. Eine Mehrheit, mit der sie also das Grundgesetz verbiegen oder gar komplett umschreiben könnte. Die Pressefreiheit ist ein Wort, das ich angesichts der Fesselparagraphen in den Transatlantischen Freundschaftsgazetten überhaupt nicht mehr in den Mund nehmen möchte. Was die Bürgerrechte betrifft, so setzt man sich zum Beispiel im Bereich Hartz4 ganz offen über Gerichtsurteile des Bundesverfassungsgerichtes hinweg, schränkt sie also im Grunde jetzt schon willkürlich ein. Darüber hinaus wird derzeit darüber diskutiert, wie die Politik größeren Einfluss auf die Rechtsprechung in Karlsruhe nehmen kann, was durchaus weitere Einschränkungen zur Folge haben könnte.

In meinen Augen zeichnet sich da eine sehr bedenkliche Tendenz ab, die ich hier der Deutlichkeit halber noch einmal kurz zusammenfassen möchte: Die Opposition ist in der Möglichkeit ihrer Einflussnahme stark eingeschränkt, ebenso steht es um die Pressefreiheit. Und die Bürgerrechte werden entgegen der gültigen Gesetzgebung ebenfalls immer mehr beschnitten.

Kommt das außer mir noch irgendjemandem unangenehm bekannt vor? Die Demokratie ist auf dem Rückzug. Das, wodurch sie ersetzt werden könnte, erfüllt mich mit Furcht und Schrecken.

Wenn ich dann auch noch in Richtung Ukraine schaue, werden meine Beklemmungen noch größer. Dort wurde eine Regierung an die Macht geputscht, die zu Teilen aus Mitgliedern faschistischer Parteien besteht. Und offenbar stellt unsere eigene Regierung sich hinter diese Faschisten. Man erkennt sie an. Man kooperiert mit ihnen. Man macht ihre Gegner zu eigenen Gegnern. Zu UNSEREN Gegnern. Und man schürt damit eine Kriegsgefahr für uns alle.

Was tun wir dagegen?

Wir protestieren. Wir vernetzen uns. Wir schließen uns zusammen und gehen gemeinsam auf die Straße, um uns bei denen, die uns angeblich vertreten sollen, Gehör zu verschaffen. Wir suchen den Schulterschluss mit allen Teilen der Bevölkerung, unabhängig von Ethnie, Religion oder gesellschaftlicher Stellung, weil wir für Frieden einstehen. Und weil dieser Frieden universell ist.
Weil der eigene Frieden auch immer der des Nachbarn sein muss.

Wochenlang wurden wir komplett ignoriert. Wir waren nur „ein paar bedeutungslose Irre, die da zusammenkamen, um ihre kruden Verschwörungstheorien zu verbreiten“. Vom wahren Inhalt der Mahnwachen für den Frieden wurde überhaupt keine Kenntnis genommen. Dann, als die Teilnehmerzahlen an den Demos anstiegen und diverse alternative Medien über uns zu berichten begannen, musste man uns schließlich zur Kenntnis nehmen. Und das tat man.

Auf altbewährte Weise wurden alle missliebigen Personen sofort als „Rechte“ diffamiert, die ihre wahren Ziele „codieren“. Und dazu bediente man sich einer Person, die ich persönlich inzwischen für das bekannteste Missbrauchsopfer dieses Landes halte. Einer Frau, deren politische Ausrichtung und deren Engagement bisher für mich immer außer Frage stand. Ich möchte mir kein Urteil darüber erlauben, warum Frau Ditfurth sich so instrumentalisieren lässt. Ich bin mir sogar völlig sicher, dass ihre Absichten von vorn herein ehrenhaft und ihre Besorgnis bezüglich neuer rechtspopulistischer Tendenzen völlig echt waren und immer noch sind, gerade weil ich diese Besorgnis teile.

Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist dass Frau Ditfurth die Bedrohung, die sich durch die eingangs beschriebenen Zustände in unserem Land abzeichnet, nicht ebenso besorgt und aufmerksam verfolgt und kommentiert. Ich verstehe auch nicht, wie sie – glühende Antifaschistin, die sie ist – die Kooperation unserer eigenen Regierung mit Faschisten in der Ukraine einfach so hinnehmen kann, ohne sie wenigstens ebenso engagiert an den Pranger zu stellen, wie jene „Neu-Rechten“ die ihrer Meinung nach offenbar in ganz Deutschland wie Pilze aus dem Boden schießen.

Stattdessen diskreditiert Frau Ditfurth lieber die Mahnwachen für den Frieden als Verbreitungsplattform rechtspopulistischen Gedankenguts und deren Veranstalter, Redner und Teilnehmer als Anhänger nazistischen Gedankenguts. Dass diese Menschen, die sie so einfach mal in die Nazi-Schublade steckt, sich schon mehrfach mehr als deutlich von diesem Gedankengut distanziert haben, nimmt sie einfach nicht zur Kenntnis. Will sie nicht? Oder darf sie nicht? Auch darüber steht mir kein Urteil zu, obwohl ich menschlich ehrlich gesagt tief enttäuscht bin.

Allerdings möchte ich an dieser Stelle mal auf etwas hinweisen, das bisher offenbar weder Frau Ditfurth noch ihre glühenden Anhänger zur Kenntnis genommen zu haben scheinen: Wer sind die Gewinner, wenn friedliebende Menschen in ihren Bemühungen, das Thema Frieden auf die Straßen und Plätze zu bringen, ausgebremst und diffamiert werden? Wer profitiert davon, wenn wir uns gegenseitig zerfleischen statt uns zusammenzuschließen, und wenn die Aufmerksamkeit von den Geschehnissen in der Ukraine, den Verlagerungen von NATO-Truppen in Richtung Osten und der ständig wachsenden Kriegsgefahr abgelenkt wird?

Und, der wichtigste und Besorgnis erregendste Punkt meiner Argumentation: Wer bekommt in den letzten Wochen mehr Aufmerksamkeit in der Presse als jemals zuvor, wird dort abgebildet und namentlich und mit Parteizugehörigkeit erwähnt?

Ihre Besorgnis, die ich durchaus teile, in allen Ehren, liebe Frau Ditfurth. Aber das, was Sie mit Ihrer Fehleinschätzung der Mahnwachen und der daraus resultierenden Debatte hier unabsichtlich losgetreten haben, ist meiner Meinung nach die größte Wahlwerbeveranstaltung für die NPD, die Deutschland je gesehen hat.

Und DAVON distanziere ICH mich ganz entschieden!

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Eine ganz persönliche Stellungnahme

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Liebe Freunde von Die Linke!

Die letzte Nacht war mal wieder eine jener Nächte, in denen ich kaum Schlaf fand, weil mir so unglaublich viele Dinge durch den Kopf gingen. Dinge, die ich selbst erlebt habe. Dinge, von denen ich gelesen habe, Dinge, die ich niemals erleben und über die ich auch niemals lesen will.

Mein Enkelkind wird morgen vier Jahre alt. Und …ich wünsche meiner Kleinen nur das Beste in ihrem Leben. Eine friedliche, liebevolle Kindheit. Eine glückliche, sorgenfreie Zukunft. Niemals soll sie mit Krieg konfrontiert werden, niemals um jemanden trauern müssen, den sie geliebt hat, und der ihr gewaltsam entrissen wurde. Das ist ihr Recht.
Und es ist meine Pflicht, alles dafür zu tun.

Gestern am späten Abend hatte ich hier auf Facebook eine Diskussion, die mich sehr betroffen gemacht hat. Ich habe mehrere Stunden über die Argumentation meines Diskussionspartners, den ich schon seit längerer Zeit sehr schätze, nachgegrübelt. Ich weiß nicht, ob ich mich ihm verständlich machen konnte. Und ich weiß auch nicht, ob ich jemals wieder die Gelegenheit bekommen werde, mich mit ihm auf freundschaftliche Weise auszutauschen. Das tut mir sehr leid, insbesondere, weil mir diese Diskussion klar gemacht hat, was gerade mit uns geschieht. Nein, falsch. Sie hat mir klargemacht, was wir einander gerade antun. Und zwar angesichts einer Entwicklung, die mir persönlich und vielen anderen auch große Sorgen macht.

Diese Entwicklung verläuft schleichend. Und sie spitzt sich immer mehr zu, erreicht ständig neue, nie dagewesene Höhepunkte – und kaum einer nimmt es überhaupt noch zur Kenntnis. Wir sind abgestumpft und so in unserer Routine, unseren persönlichen Sorgen und Nöten gefangen, dass wir kaum noch über den eigenen Tellerrand hinaussehen. Und wenn wir es doch tun, dann kommentieren wir kurz das Geschehen um uns herum, ziehen dann in bewährter Schildkrötenmanier wieder die Köpfe ein und beschäftigen uns weiter mit unserem eigenen Dasein. Weil das da draußen ja nicht uns persönlich betrifft.

Und wir werden blind für die Entwicklungen.

Beispiel gefällig?

Nixon musste zurücktreten, weil er ein verdammtes Hotelzimmer abgehört hatte. Heute bespitzeln die USA und ihre verbündeten Geheimdienste die ganze Welt. Ohne jegliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Noch ein Beispiel?

Kann sich noch jemand an den Aufschrei in den Medien und auch in der Bevölkerung erinnern, als es hieß, eine Firma mit vielen Filialen in Deutschland, die mit Schuhen handelt, verkaufe Produkte, die im Ausland in Kinderarbeit gefertigt würden? Wie unmoralisch es sei, davon zu profitieren? Diese Waren zu kaufen? Internationale Banken finanzieren weltweit Kriege und kassieren dafür Zinsen und Zinseszinsen. Sie verdienen am Tod unzähliger Menschen. Aber wer das thematisiert ist seit Neuestem ein Antisemit und Nazi.

Ich wähle seit Jahren Die Linke, weil ich mich mit deren Zielen am besten identifizieren kann. Nein zu Bundeswehr-Auslandseinsätzen. Nein zu den Abhöraktionen der Geheimdienste. Nein zu der immer weiter fortschreitenden Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Ja dazu, große Vermögen und Einkommen stärker zur Finanzierung des Staatshaushaltes heranzuziehen. Nein zu Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus. Das sind meine Überzeugungen. Und dafür trete ich ein. Und dementsprechend wähle ich.

Aber das genügt nicht. Wo ist sie, die Protestbewegung der Linken? Wo war sie, als es um Libyen ging? Um Syrien? Wo sind die Demonstranten auf den Straßen gegen die Kämpfe in Afghanistan? Wo bleibt der Protest gegen die Vorgänge in der Ukraine? Wo ist Die Linke, wenn es darum geht, aktiv Einfluss auf das politische Geschehen in unserem Land zu nehmen? Als Opposition kann sie angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag gegen die GroKo nichts ausrichten. Also warum tut sie es nicht auf der Straße?

WO IST UNSERE LINKE, WENN ES DARUM GEHT, KLAR UND UNMISSVERSTÄNDLICH STELLUNG GEGEN EINEN DROHENDEN KRIEG ZU BEZIEHEN?

Wahlkampf in allen Ehren, liebe Genossen. Aber solange Ihr auf den Straßen keine deutlichere Präsenz zeigt, wird niemand Euch ernst genug nehmen, um sich mit Euren Zielen zu identifizieren und Euch zu unterstützen. Das habe ich in den letzten Wochen begriffen.

Ich verstehe, dass Ihr in Euren Wertvorstellungen und Eurem Gedankengut eine klare Grenze gegen nazistische Tendenzen ziehen wollt, auch wenn ich das wahllose Diskreditieren von Personen, die Ihr weder kennt noch wirklich einschätzen könnt, nicht nachvollziehen oder gutheißen kann. Aber das muss ich auch nicht. Alles, was ich tun muss, ist Euch und die von Euch gesetzten Grenzen zu akzeptieren. Das habe ich gestern Abend begriffen. Denn wenn ich Euch gegenüber diese Akzeptanz nicht an den Tag legen kann, darf ich sie auch nicht von Euch erwarten.

Und ich – und ich denke, das geht auch vielen anderen Teilnehmern der Mahnwachen für den Frieden so – möchte wirklich als das akzeptiert werden, was ich bin. Ein Mensch, der keiner Partei angehört. Ein Mensch, der keine parteipolitische Ideologie vertritt. Ein Mensch, der sich ganz klar von nazistischem und antisemitischem Gedankengut distanziert. Ein Mensch, der sich das Recht herausnimmt, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten. Ein Mensch, der gemeinsam mit anderen Menschen aufsteht, seine Stimme erhebt und für das eintritt, was ihm wichtig ist: den Frieden. Ein Mensch, der es ablehnt, sich durch gleichgeschaltete Medien manipulieren und belügen zu lassen. Ein Mensch, der nicht länger tatenlos zuschauen will, wenn überall auf der Welt Kriege geführt werden, die unzählige Menschen das Leben kosten, und einige wenige immer reicher machen.

Das sind meine Ziele. Dafür stehe ich montags auf der Straße. Dafür stehe ich in meinen Postings und Artikeln. Dafür stehe ich mit meinem Namen, statt mich hinter einem niedlichen oder markigem Nick zu verstecken. Ich bin nicht politisch. Ich bin Mensch. Ich bin Großmutter, Mutter, Tochter, Enkelin. Ich habe Freunde und Familie. Und ich will niemanden von ihnen verlieren, damit ein anderer Mensch irgendwo auf diesem Planeten mit einem breiten, zufriedenen Grinsen seinen Bilanzen betrachten und seine Kontoauszüge prüfen kann.

Und jetzt komme ich zu meiner persönlichen, ultimativen Wahrheit: Wenn Ihr, liebe Linke, diese Montagsdemonstrationen auf die Beine gestellt hättet, wäre ich ebenfalls dabei. Und ich denke, auch das gilt für viele andere Teilnehmer dieser Veranstaltungen. Weil es unsere gemeinsamen Ziele sind, welche uns einen – nicht ein Parteiausweis oder die Mitgliedskarte eines Vereins. Ich stünde auch an Eurer Seite.
Sofern Ihr Euch denn endlich mal bewegen würdet!

Herr Gysi hat im Bundestag die Zusammenarbeit unserer Regierung mit der teilfaschistischen nicht demokratisch gewählten Regierung in Kiew scharf verurteilt. Herr Gysi hat die Reaktion unserer Regierung auf das Krim-Referendum verurteilt, indem er auf den Kosovo hinwies und darauf, dass man nicht mit zweierlei Maß messen dürfe. Die Linken stimmen im Bundestag gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Das alles verdient und bekommt meine Hochachtung – aber es genügt nicht.
Es genügt nicht länger, nur im Plenarsaal oder auf Wahlkampfveranstaltungen Stellung zu beziehen. Die Menschen, um die es letztendlich geht, sind in keinem Plenarsaal anzutreffen. Die sind hier draußen. Auf den Straßen. Auf den Plätzen. Sie demonstrieren. Sie fordern ihre Rechte ein. Sie sind nicht perfekt. Sie machen Fehler. Sie lernen daraus und voneinander. Sie halten zusammen – über die Grenzen von Ethnien, Religionen und Gesellschaftsschichten hinweg. Sie reden miteinander. Sie streiten miteinander. Sie lachen und weinen miteinander. Sie reichen einander die Hände und stehen füreinander ein, weil es das ist, was sie stark macht. Was UNS stark macht.

Ihr könntet ein wichtiger Teil dieser Bewegung sein. Ihr könntet Euch und Eure Vorstellungen von einer besseren, friedlicheren Welt einbringen. Niemand verlangt von Euch, dass Ihr Euch mit Nazis oder Antisemiten verbündet. Niemand will Eure Weltanschauung korrumpieren. Alles, was ich persönlich mir von Euch wünsche, ist die gleiche Akzeptanz, die auch ich Euch entgegenzubringen bereit bin. Und ich bin sicher, dass es den meisten anderen Teilnehmern an den Mahnwachen für den Frieden ebenso geht.

Wir sind eine breit gefächerte Masse, das stimmt. Es besteht also tatsächlich die Gefahr, plötzlich neben einem Menschen zu stehen, der nicht die gleichen Auffassungen vertritt, die ich selbst vertrete. Er sieht anders aus. Er hat andere Erfahrungen gemacht. Er denkt anders. Er glaubt an andere Dinge. Aber auch er ist ein Mensch, der in Frieden leben will, der nicht benutzt und belogen werden will, um schließlich zum finanziellen Nutzen eines anderen zu sterben oder zu töten.
Wenn mir seine Meinung nicht gefällt, dann trete ich ein paar Schritte vor oder zurück – es sind genug Menschen da, neben die ich mich stellen kann. Und wenn er faschistisches oder antisemitisches Gedankengut zu verbreiten oder anderweitig zu stören versucht, Nazi-Propaganda verbreitet oder Ähnliches, erteile ich ihm eine entschiedene Abfuhr und mache einen der Ordner oder Veranstalter auf ihn aufmerksam. (Allerdings ist mir das bisher noch nie passiert.)

Alles, was ich mir von Euch wünsche, ist dass Ihr Euch ein eigenes unvoreingenommenes Bild von den Vorgängen auf den Mahnwachen macht. Als friedliebende Menschen unter anderen friedliebenden Menschen. Denn ich kann nur über jemanden urteilen, den ich kenne – jedenfalls, wenn ich nicht unglaubwürdig erscheinen möchte.

Liebe Linke, eines noch zum Abschluss:
Ich nehme es Euch nicht übel, wenn Ihr es nicht über Euch bringt, über Euren Schatten zu springen und die Mahnwachen für den Frieden als Teilnehmer zu besuchen. Aber ich nehme Euch Eure Untätigkeit übel. Und in dieser Beziehung kann auch ich leider nicht über meinen eigenen Schatten springen. Die Welt steht am Abgrund. Europa wird von einem Krieg bedroht, der durchaus nukleare Ausmaße annehmen könnte. Und jeder, der sich nicht ganz klar dagegen ausspricht, macht sich mitschuldig. Wer schweigt, stimmt zu. Unterlassung ist Beihilfe. Also, verdammt noch mal, werdet endlich aktiv! Mit uns oder parallel dazu – was auch immer Euch angeraten erscheint. Aber bleibt nicht länger untätig, denn damit verurteilt Ihr auch all jene zur Untätigkeit, die befürchten, anderenfalls genau wie wir als Neu-Rechte diskreditiert zu werden.

Mein Enkelkind wird morgen vier Jahre alt. Was ist mit euren Kindern und Enkelkindern?

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VON ERDGAS, ZAUBERTRICKS UND MEDIENLÜGEN

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VON ERDGAS, ZAUBERTRICKS UND MEDIENLÜGEN

„Hör dir das an, Schatz! Die Russen drehen uns den Gashahn zu!“

Dieser Satz dürfte am zehnten April diesen Jahres an etlichen Frühstückstischen nicht nur in Deutschland zu hören gewesen sein. Dies war nämlich der Tag, an dem solche Schlagzeilen wie „Putin droht mit Erdgas-Drosselung“ (Die Welt), „Putin droht Europa mit Stopp der Gaslieferungen“ (DWN), „Putin droht mit Gas-Drosselung“ (BZ) oder „Putin droht Europa mit Gas-Drosselung“ (Stern) die deutschen Gazetten schmückten.
Klingt alles irgendwie gleich, nicht wahr? Alles nur wenig voneinander abweichende Formulierungen zum gleichen Thema.

Putin droht. Dieser schreckliche Russe droht uns!

Und diese Drohung trifft uns alle bis ins Mark, denn mal ganz ehrlich, wer will im nächsten Winter schon in einer unbeheizten Wohnung sitzen? Oder elektrisch heizen? Und überhaupt, wird dann nicht auch das Öl teurer? Und der Strom? Und auch alles andere, einschließlich des Benzins? Schließlich leben wir in einer Marktwirschaft; der Preis einer Ware wird bestimmt durch Angebot und Nachfrage. Und ohne die Erdgasimporte aus der Russischen Föderation steigt die Nachfrage nach Alternativen und damit deren Preise. Ganz klar.

Um eines mal vorweg zu nehmen; es besteht kein Grund zur Panik, dass es zukünftig kein russisches Erdgas für uns mehr geben wird … Naja, jedenfalls nicht von Seiten des Exporteurs. Dass wir zukünftig alle dennoch ordentlich draufzahlen werden, kann ich jedoch jetzt schon prophezeien. Aber das liegt nicht an den Russen. Das liegt an uns selbst.

Aber am besten erzähle ich die Geschichte von Anfang an:

Auch ich las einen dieser Artikel beim Frühstück. Und auch mein Toast blieb unbeachtet auf dem Teller liegen, weil mir spontan der Appetit vergangen war. Stattdessen griff ich zum Laptop und suchte im Internet nach weiteren Informationen, denn mir war aufgefallen, dass in keinem der Artikel wenigstens ein Auszug des Briefes abgedruckt worden war, in dem Herr Putin Europa so unverschämt bedroht. Nicht einmal ein winzig kleines Zitat. Merkwürdig.
Also machte ich mich im Netz auf die Suche. Aber keine einzige Nachrichtenagentur und auch kein anderes Medium schien in der Lage zu sein, mir diesen vermaledeiten Brief zur Verfügung zu stellen. Schließlich, als ich mit meinem Latein schon ziemlich am Ende war, bat ich über Facebook um Hilfe. Und ich bekam sie in Form dieses Links:

http://eng.kremlin.ru/news/7002

Der Brief! In voller Länge! Und noch dazu auf Englisch, einer Sprache, die ich zumindest ansatzweise beherrsche. Nach beinahe vier lustigen Stunden mit Papier, Bleistift, Wörterbuch und Aspirin hatte ich eine halbwegs annehmbare Übersetzung fertig. Und mit ihr die Erklärung dafür, warum dieser Brief nirgendwo zitiert oder abgedruckt wurde.

Doch ich greife vor. Hier ist zunächst erst einmal der Text des Briefes:

„Die Wirtschaft der Ukraine befindet sich seit Monaten auf Talfahrt. Der Industrie- und Baubereich sind stark rückläufig. Das Haushaltsdefizit steigt. Der Zustand des Währungssystems wird immer beklagenswerter. Die negative Handelsbilanz wird von einer Kapitalflucht aus dem Land begleitet. Die Produktion stockt, die Arbeitslosigkeit wächst.

Russland und die EU-Staaten sind die wichtigsten Handelspartner der Ukraine. Auf dem EU-Gipfel Ende Januar einigten wir uns mit unseren europäischen Partnern darauf, Gespräche aufzunehmen, um die Wirtschaft der Ukraine unter Berücksichtigung der Interessen der Ukraine und unserer Länder zu entwickeln. Doch alle Versuche von russischer Seite, diese Gespräche zu beginnen, verliefen ergebnislos.

Stattdessen sehen wir uns mit der Forderung konfrontiert, die Vertragspreise für russisches Erdgas zu senken, weil diese angeblich „politischer“ Natur seien. Man gewinnt den Eindruck, dass die europäischen Partner Russland die Schuld an der Wirtschaftskrise der Ukraine und ihren Folgen geben.

Vom ersten Tag der Existenz der Ukraine als unabhängiger Staat hat Russland die Stabilität der ukrainischen Wirtschaft durch die Versorgung mit Erdgas zu günstigen Preisen unterstützt.
Im Januar 2009 wurde mit Julia Timoschenko ein Kauf- und Verkaufsvertrag über die Lieferung von Erdgas für den Zeitraum von 2009 bis 2019 unterzeichnet. Dieser Vertrag regelt Fragen zur Lieferung und Bezahlung für das Produkt, und dessen ungehinderten Transit durch das Territorium der Ukraine. Russland hat diesen Vertrag sowohl nach den Buchstaben als auch dem Geist des Dokuments vollständig erfüllt. Übrigens war der ukrainische Minister für Brennstoffe und Energie damals Juri Prodan, der heute eine ähnliche Position in der Kiewer Regierung innehat.

Das Gesamtvolumen an Erdgas, das an die Ukraine geliefert wurde, liegt, wie in diesem Vertrag während der Zeit der 2009-2014 (erstes Quartal) festgelegt wurde, bei 147,2 Milliarden Kubikmeter. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Preisformel, die im Vertrag festgelegt worden war, seit diesem Moment unverändert blieb. Und die Ukraine leistete bis August 2013 regelmäßige Zahlungen für das Erdgas in Übereinstimmung mit dieser Formel.

Damit haben die beispiellosen Privilegien und Rabatte, die Russland nach der Unterzeichnung dieses Vertrages auf dem Preis des Erdgases gewährte, nichts zu tun. Dies gilt für den Rabatt ab 2010 für das Charkow-Abkommen, der als Vorauszahlung künftiger Pachtzahlungen für die Stationierung der (russischen) Schwarzmeerflotte nach 2017 galt. Dies bezieht sich auf die Rabatte für ukrainische Chemieunternehmen. Dies betrifft auch die Ermäßigung im Dezember 2013, die wir für die Dauer von drei Monaten aufgrund des kritischen Zustandes der ukrainischen Wirtschaft gewährt haben. Beginnend mit 2009 beläuft sich die Gesamtsumme dieser Rabatte auf 17 Milliarden Dollar. Um dies zu gewährleisten, sollten wir weitere 18.400.000.000 $ von der ukrainischen Seite als Minimal Take-or -Pay- Fein hinzufügen.

Auf diese Weise hat Russland in den vergangenen vier Jahren die ukrainische Wirtschaft subventioniert, indem sie auf Erdgasgewinne im Wert von $ 35.400.000.000 verzichtete. Darüber hinaus wurde im Dezember 2013 der Ukraine von Russland ein Kredit von 3 Mrd. US-Dollar gewährt. Diese sehr bedeutenden Summen waren zur Erhaltung der Stabilität und Glaubwürdigkeit der ukrainischen Wirtschaft und die Erhaltung der Arbeitsplätze gedacht. Kein anderes Land gewährte eine derartige Unterstützung außer Russland.

Was ist mit den europäischen Partnern? Statt der Ukraine echte Unterstützung anzubieten, bleibt es bei einer Absichtserklärung. Es sind nur Versprechungen, die nicht durch irgendwelche realen Aktionen gestützt werden. Die Europäische Union sieht die ukrainische Wirtschaft als eine Quelle für naturale Lebensmittel, Metalle und mineralische Ressourcen und gleichzeitig als einen Markt für den Verkauf ihrer Waren (Maschinentechnik und Chemikalien), wodurch ein Defizit in der ukrainischen Handelsbilanz in Höhe von mehr als 10 Milliarden US-Dollar entsteht. Das entspricht beinahe zwei Dritteln des Gesamtdefizits der Ukraine für das Jahr 2013.

Zu einem großen Teil beruht die Krise in der ukrainischen Wirtschaft auf dem unausgeglichenen Handel mit den EU-Mitgliedstaaten, und dies wiederum hat einen stark negativen Einfluss auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ukraine bezüglich der Zahlungen für die Erdgas-Lieferungen durch Russland.
Gazprom stellt keine Ansprüche, die über jene hinausgehen, die im Vertrag von 2009 festgelegt wurden, noch besteht die Absicht, zusätzliche Bedingungen aufzunehmen. Dies betrifft auch den Vertragspreis für Erdgas, der in strikter Übereinstimmung mit der vereinbarten Formel berechnet wird. Aber Russland kann und sollte nicht einseitig die Last der Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft durch Gewährung von Preisnachlässen und Schuldenverzicht tragen, und damit das Defizit ausgleichen, das der Ukraine im Handel mit den EU-Mitgliedstaaten entsteht.

Die Schulden der NAK Naftogaz für das gelieferte Gas wachsen mit jedem Monat. Im November – Dezember 2013 standen diese Schulden bei 1.451,5 Milliarden US-Dollar; im Februar 2014 stiegen sie um weitere 260,3 Millionen, und im März um weitere $ 526.100.000. Hier möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass es ab März keinen Grund mehr gab, einen Sonderpreis anzuwenden, d.h. 268,5 $ pro tausend Kubikmeter Gas zu erlassen.
Bisher hat die Ukraine nicht einen Dollar davon bezahlt.

Unter solchen Bedingungen und in Übereinstimmung mit den Artikeln 5.15, 5.8 und 5.3 des Vertrages, ist Gazprom angehalten, die Zahlung für die Gaslieferungen zu fordern, und im Falle weiterer Verstöße gegen die Zahlungsbestimmungen die Gaslieferungen ganz oder teilweise einzustellen. Mit anderen Worten, es wird nur noch das Volumen an Erdgas an die Ukraine geliefert, das einen Monat vor der Lieferung bezahlt wurde.

Zweifellos ist dies eine extreme Maßnahme. Wir sind uns bewusst, dass dies das Risiko des Absaugens von Erdgas erhöht, welches durch das Territorium der Ukraine in Richtung der europäischen Verbraucher geleitet wird. Wir wissen auch, dass es schwierig für die Ukraine wird, ausreichende Gasreserven für den Herbst und den Winter anzulegen. Um eine Unterbrechung der Versorgung zu verhindern, wird es notwendig sein, 11,5 Milliarden Kubikmeter Gas zu liefern und zu speichern, dafür ist eine Zahlung von etwa $ 5.000.000.000 erforderlich.

Die Tatsache, dass sich unsere europäischen Partner einseitig von den gemeinsamen Anstrengungen, die ukrainische Krise zu bewältigen, und von Gesprächen mit der russischen Seite zurückgezogen haben, lässt Russland leider keine Alternative.
Es kann nur einen Ausweg aus der Situation, die sich entwickelt hat, geben. Wir glauben, dass es wichtig ist, auf der Ebene der Minister für Wirtschaft, Finanzen und Energie zusammen zu arbeiten, um die ukrainische Wirtschaft zu stabilisieren und die Lieferung und den Transit von russischem Erdgas in Übereinstimmung mit den Bedingungen des Vertrages gewährleisten zu können. Dazu ist es nötig, ohne Verzögerung Gespräche aufzunehmen. Wir dürfen keine Zeit verlieren, die ersten Schritte dazu zu koordinieren. In diesem Sinne appellieren wir an unsere europäischen Partner.

Es ist selbstverständlich, dass Russland bereit ist, sich an den Bemühungen zur Stabilisierung und Wiederherstellung der ukrainischen Wirtschaft zu beteiligen. Jedoch nicht in einer einseitigen Weise, sondern zu gleichen Bedingungen mit unseren europäischen Partnern. Es ist auch wichtig, die tatsächlichen Investitionen, Beiträge und Ausgaben, zu berücksichtigen, die Russland für eine so lange Zeit zur Unterstützung der Ukraine auf sich genommen hat. Unserer Meinung nach kann nur ein fairer, ausgewogener Ansatz Erfolg haben.“

Wer den Brief aufmerksam gelesen hat, wird bemerkt haben, dass Herr Putin darin mit keinem Wort droht, die Erdgaslieferungen einzustellen. Es wird von der Ukraine nicht einmal verlangt, dass sie ihre Gasschulden bezahlt! Es ist, davon abgesehen, dass er der EU den Spiegel vorhält, nur davon die Rede, dass zukünftige Lieferungen im Voraus bezahlt werden müssen.

Und jetzt ein Blick zurück zum Anfang dieses Artikels und den Verlautbarungen unserer Presse. Was fällt da auf?

Wir werden von den Medien belogen.

Man belügt uns bewusst, um Stimmung gegen die russische Föderation zu machen. Man belügt uns bewusst, um mit unseren Steuergeldern die zukünftigen Gaslieferungen an die Ukraine zu finanzieren, obwohl sie gar kein EU-Mitglied ist – und nicht, um deren bestehende Gasschulden zu bezahlen, wie man uns gern einreden würde, weil wir sonst ebenfalls kein Erdgas mehr bekommen.

Man belügt uns auch, um uns solche Fördermethoden wie Fracking als alternativlos verkaufen zu können. Und man verschweigt uns in diesem Zusammenhang, dass man bereits vor dem Brief des Herrn Putin an die achtzehn europäischen Regierungsoberhäupter dem Fracking hier in Deutschland offiziell zugestimmt hat, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung sich ganz klar dagegen ausgesprochen hat.

http://www.gegen-gasbohren.de/2014/03/12/fracking-vorpommern-oh-wie-schoen-war-fischland/

Wer bei dem Artikel hinter dem Link mal auf das Datum achtet, wird feststellen, dass diese Entscheidung am elften März diesen Jahres fiel, also im Windschatten der Krimkrise, als alle wie gebannt in Richtung Osten schauten. Und wer sich darüber hinaus die Mühe einer Online-Recherche macht, wird feststellen, dass Herr Günter Oettinger, seines Zeichens Energiekommissar der EU, noch am vierundzwanzigsten und fünfundzwanzigsten März diesen Jahres, also ganze zwei Wochen später, in der „Welt“ und der „FAZ“ forderte, dass Fracking in Deutschland „eine Chance erhalten“ müsse.

Wie kann das sein?

Mittlerweile habe ich beim Zeitunglesen immer häufiger den Eindruck, zu Gast in einer Zaubershow zu sein. Während der Magier auf der Bühne mich dazu bringt, in die Richtung seiner einen Hand zu schauen, manipuliert er mit der anderen so geschickt die Umstände, dass mir vor Erstaunen – oder eher Entsetzen – der Mund offen stehen bleibt.

Mit diesem Zaubertrick bezüglich des Briefes von Präsident Putin bringt man die Steuerzahler der EU dazu, eine Art Anzahlung auf die Ukraine zu leisten – denn machen wir uns nichts vor, an die Bezahlung der Gaslieferungen sind mit Sicherheit harte Bedingungen geknüpft – und führt gleichzeitig das Fracking als anerkannte Fördermethode ein.

Es ist übrigens auch der gleiche Taschenspielertrick, mit dem die NATO uns – wieder über unsere Medien – neun Monate alte Satellitenaufnahmen eines russischen Manövers als Beweis dafür verkauft, dass die Russische Föderation gerade an der Grenze zur Ukraine mobil macht.

Und er funktioniert. Leider.

Jedenfalls so lange, bis wir endlich wieder lernen, die Informationen, für die wir über ein Zeitungsabonnement oder den Beitragsservice bezahlen, nicht nur zu konsumieren, sondern sie zu hinterfragen und zu überprüfen. Hoffentlich passiert das, bevor man uns im Zuge der Fußballweltmeisterschaft 2014 womöglich TTIP, CETA und TiSA beschert, ohne dass wir es auch nur zur Kenntnis nehmen.

Der Beweis für meine Behauptungen? Meine Übersetzung des Putin-Briefes kann gern mit dem englischen Original (Link oben) verglichen werden. Und falls ich die Unwahrheit schreibe, existieren achtzehn schriftliche (wenn auch wegen ihres Inhalts für die Empfänger ziemlich peinliche) Gegenbeweise, unterschrieben von Präsident Putin und versendet an achtzehn Staatsoberhäupter in Europa.

 

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