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Der angeblich böse Schmetterlingsflieder

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Tatsächlich handelt es sich bei Buddleja davidii, wie der Schmetterlingsflieder oder auch Sommerflieder mit wissenschaftlicher Bezeichnung heißt, um einen Neophyten.

Aglais io auf Blüte vom Schmetterlingsflieder

Neophyten haben das schlechte Image, heimische Tiere oder Pflanzen zu verdrängen. Man spricht dann von invasiven Neophyten. Das kann durchaus problematisch werden. Dennoch werden dem Strauch so manche Dinge unterstellt, die überhaupt nicht erwiesen sind…

Geflügelte Insekten suchen beim Sommerflieder gern Zuflucht. Aber der Schmetterlingsbaum ist ein falscher Freund, der sogar einige Schmetterlingsarten bedroht. Das sagt Yves Desmons vom Cercle des naturistes de Belgique. Die Pflanze verfolgt demnach eine eher hinterhältige Strategie. „Sie haben eine lila Farbe, die Schmetterlinge sehr anzieht, und sie strahlt sehr starke Gerüche aus, die zudem attraktiv sind. Der Nektar der Pflanze ist aber von schlechter Qualität, dafür aber reich an Koffein. Daher werden Schmetterlinge, sobald sie Koffein konsumiert haben, süchtig danach“, erklärt Desmons. Dies sei der Anfang vom Ende für die Schmetterlinge. Sie verbringen ihre Zeit damit, vergeblich nach Nektar zu suchen, von dem nur sehr wenig vorhanden ist. Das erschöpft die Schmetterlinge und hat zur Folge, dass sie nicht mehr brüten. Diese Kettenreaktion bedroht also ihre Spezies.

Quelle: https://brf.be/national/1305865/

Was ist da wirklich dran? Ist der Schmetterlingsflieder wirklich so hinterhältig und gefährlich? Die Warnungen werden auch auf anderen Internetpräsenzen erzählt, denen man eigentlich ausreichend Sachkenntnis zutraut. Allesamt wird stets eine einzige gemeinsame Quelle aufgeführt, ein Herr Desmons…

„Der Sommerflieder hat nur wenig Nektar, der reich an Koffein ist. Die lila Farbe lockt die Schmetterlinge an, das Koffein macht sie süchtig – aber sie finden zu wenig Nektar und verhungern buchstäblich“, beruft sich Jutta Seethaler, Koordinatorin der Freigarten-Initiative auf die Forschungsresultate des Belgiers Yves Desmons vom „Cercle des naturistes de Belgique“. Die Schmetterlinge verbringen viel Zeit mit der Suche nach dem spärlichen Nektar – das erschöpfe sie und habe zur Folge, dass sie sich nicht mehr vermehren.

Quelle: https://vero-online.info/freigarten-sommerflieder-schadet-schmetterlingen/

Auf welche Forschungsresultate bezieht sich eigentlich Frau Seethaler, die Koordinatorin der Freigarten- Initiative? Es existieren gar keine, es gibt nur jene subjektiven Behauptungen eines Herrn Desmonds, der offensichtlich auch recht wenig Expertise im Bereich Lepidopterologie nachzuweisen hat, wie sich herausstellt, wenn man etwas recherchiert…

Wer ist eigentlich jener Yves Desmons?

Der Verein, dem er angehört, Cercles des Naturalistes de Belgique, ist in etwa mit dem deutschen NABU vergleichbar. Herr Desmons wird dort als Ökopädagoge bezeichnet. Inwieweit diese Betitelung einen  wissenschaftlichen Charakter besitzt, kann ich nicht beurteilen. Die Internetpräsenzen, die sich auf ihn berufen, bezeichnen ihn allerdings als Wissenschaftler.
Recherchiert man nach dem Begriff Ökopädagogik findet man kaum etwas. Jedoch nichts, was eine Expertise über Schmetterlinge und deren Lebensweise im Portfolio hätte. Hier ist ist so etwas wie eine Definition.

Zitat: Praxisorientierte Bezugswissenschaft, die Erkenntnisse der Pädagogik aufbereitet und zur Vermittlung von Natur- und Umweltverständnis zur Verfügung stellt.

Oder auch hier: https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/1561079

Wieviel Nektar besitzt Schmetterlingsflieder?

Tatsächlich hat sich mal jemand die Arbeit gemacht, verschiedene Pflanzen nach ihrem Nutzen für Bienen zu erfassen. Allerdings geht es hierbei ausschließlich um Honigbienen, was der Verein der Schweizer Wanderimker (leider existiert die Internetpräsenz nicht mehr. Aus den Webarchiven deswegen extrahiert) zusammengetragen hat. Auf andere Insekten wie Schmetterlinge und Wildbienen ist das nur sehr begrenzt zu übertragen. Der Schmetterlingsflieder schneidet dabei weniger gut ab.  Ermittelt wurden die Ergebnisse anhand des Honigs, den man entsprechend analysiert hat. Da Buddleja ohnehin nicht so stark von Honigbienen frequentiert wird, sind die Ergebnisse wenig aussagekräftig. Pflanzen haben sich auch oft auf spezielle Bestäuber spezialisiert, welche von Honigbienen überhaupt nicht besucht werden, aber dennoch viel Nektar produzieren. Da es hierfür keine wissenschaftlich anerkannten Studien gibt, ist diese Auswertung rein für Honigbienen von Bedeutung und besitzt keine Aussagekraft über den tatsächlichen Nektargehalt der angegebenen Pflanzen. Woher die Erkenntnisse des Herrn Desmons stammen, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Welche Bedeutung hat das Koffein für Schmetterlinge?

Hierzu ist zu erwähnen, dass nirgends ein Beleg darüber zu finden ist, dass Buddleja besonders viel Koffein gegenüber anderen Blühpflanzen als Nebensubstanz im Nektar produziert.
Es gibt auch keinerlei Nachweise darüber, dass sich Koffein auf Schmetterlinge negativ auswirkt.
Dennoch scheinen Insekten Pflanzen, die Koffein produzieren, häufiger zu besuchen. Die Aussage, dass Schmetterlinge dadurch berauscht würden und somit anfälliger, von Fressfeinden erbeutet zu werden, ist jedoch eine gewagte Spekulation. In allen seriösen bzw. wissenschaftlichen Artikeln, die sich damit befassen, wird zumindest dieses Verhalten nicht erwähnt.  Schmetterlingsflieder besitzt schlicht, ähnlich wie Lavendel ein reichhaltiges Blütenangebot, dass Schmetterlinge dort länger verweilen lässt.

Quelle: https://www.stern.de/panorama/wissen/natur/besseres-gedaechtnis-koffein-im-nektar-macht-bienen-hellwach-3108144.html

Was hat es mit der Farbe „Lila“ auf sich?

In der Tat wirkt diese Farbe auf gewisse Arten besonders anziehend. Auf unseren lila Schmetterlingsfliedern scheinen sich subjektiv betrachtet mehr Schmetterlinge zu tummeln als auf den weißen.
Die dunkleren lila Blüten wiederum scheinen weniger Tiere anzufliegen als die hellen. Vielleicht ist auch der Standort des Strauches hierbei von Bedeutung?
Ist das wirklich so oder wird man vom eigenen Empfinden getäuscht?
Laut Naturlehrpfad WunderWeltWasser in Bad Malente sind weiße Blüten die am meisten von Insekten besuchten und demzufolge auch am häufigsten vorkommend in der Natur.
Vermutlich spielt auch der Duft eine entscheidende Rolle und insbesondere die Zugänglichkeit zum Nektar im Blütenstand. Demnach hätte sich diese heimtückische Pflanze Buddleja eine eher schlechte Blütenfarbe ausgesucht…

Taubenschwanz am Schmetterlingsflieder

Ist Schmetterlingsflieder für Raupen unbedeutend?

Im Grunde ist Schmetterlingsflieder von geringer Bedeutung als Futterpflanze für Insekten, abgesehen vom Nektar. Es ist aber falsch, zu behaupten, dass Schmetterlingsraupen die Blätter generell verschmähen würden. Man konnte schon Raupen von Cucullia verbasci und Acherontia atropos an der Pflanze nachweisen. In Ermangelung der eigentlich bevorzugten Raupenfutterpflanze frißt die Raupe des Königskerzenmönchs auch Buddleja. Raupen von Totenkopfschwärmern leben ziemlich polyphag. Da Kartoffelfelder rar geworden sind und viele andere Futterpflanzen fehlen oder mit Giften behandelt werden, weicht das Tier gelegentlich auf Buddleja aus. Es wäre aber übertrieben, deswegen den Strauch anzupflanzen. Es geht lediglich darum, eine Falschaussage zu korrigieren.

Cucullia verbasci auf Buddleja davidii – Bild von Christine Diener

Beginnend mit einem Artikel auf dem belgischen Online- Portal RTBF wurde dem Schmetterlingsflieder ein so schlechter Ruf angedichtet, der allerdings in vielerlei Hinsicht auf reinen Spekulationen beruht und jegliche Evidenz vermissen lässt. Alle weiteren Quellen berufen sich entweder gegenseitig auf sich oder auf Yves Desmons‘ Aussagen, also im Prinzip auf eine einzige Person, deren angebliche wissenschaftliche Ausarbeitung hierzu aus dem Internet verschwunden ist, falls es sie überhaupt gab (Deswegen funktioniert der Link auch nicht, gehört aber zur Vollständigkeit dazu).  Dennoch verbreitet sich das Gerücht über den Schmetterlingsflieder stetig weiter…

Im Webarchiv findet man allerdings doch noch jene ominöse Internetseite:

http://web.archive.org/web/20131207145829/http://www.alterias.be/alterias_search/?page=detailview&inv_id=2&lang=en

Mit einer angeblich wissenschaftlichen Arbeit des Herrn Desmons hat das jedoch rein gar nichts zu tun. Herr Desmons besitzt nicht einmal einen Bezug zu dieser Internetpräsenz. Tatsächlich handelt es sich um eine Auflistung und Beschreibung von Pflanzen, die in Belgien als invasive Neophyten kategorisiert wurden. Die Internetpräsenz AlterIAS (ALTERnatives to Invasive Alien Species) war ein Projekt, welches nach 2013 nicht fortgeführt wurde. Keine der Behauptungen von Yves Desmonds sind dort nachvollziehbar.

Nicht alles daran ist falsch. Nach wie vor ist Buddleja davidii ein invasiver Neophyt.
In Rudarallandschaften kann der Strauch zum Problem werden und wichtige einheimische Pflanzenarten verdrängen. Hingegen an Bahndämmen, die über Jahrzehnte mit Glyphosat  „unkrautfrei“ gehalten werden, wächst außer Buddleja überhaupt kaum noch etwas. Ähnlich ist es in kontaminierten Industriebrachen oder an vernachlässigten Plätzen in Innenstädten, wo ansonsten keine Natur existiert und jeder Zeit die Fläche versiegelt werden kann.
Im großen Kampf gegen Umwelt- und Naturzerstörung spielt der Strauch eine eher geringe Rolle. Der Mensch mit seinen Umweltgiften und Flächenversiegelungen stellt das deutlich größere Problem dar.
Selbstverständlich soll  die Ausbreitung des Strauches in der Natur unterbunden werden. Das sollte aber ausschließlich auf Basis seiner Ausbreitung als invasiver Neophyt geschehen. Man braucht der Pflanze nicht zusätzlich negative Eigenschaften anzudichten, die nicht nachgewiesen werden können.
Im Übrigen gibt es in Gärtnereien und Baumschulen längst Buddleja zu kaufen, der so gezüchtet wurde, dass er sich nicht mehr durch Aussamung verbreiten kann. Somit könnte man dem Problem schon beim Kauf begegnen und Leute, die sich gern im Garten an dem Strauch und den nektarsaugenden Besuchern erfreuen wollen, gibt es eine Alternative. (Es gibt hier allerdings Einwände, dass die angebotenen Pflanzen den Kriterien auch entsprechen.)

Doch noch mal zurück zu Yves Desmons und einer dubiosen Aussage seinerseits:

Das erschöpft die Schmetterlinge und hat zur Folge, dass sie nicht mehr brüten.

Für Fachleute aus der Lepidopterologie muss dieser Satz von Yves Desmons entlarvend wirken. So würde sich niemand ausdrücken, der sich mit Schmetterlingen auskennt. Schmetterlinge brüten schlichtweg nicht. Das deutet auf fehlende Expertise auf diesem Gebiet hin und trotzdem äußert sich Yves Desmons über Verhalten und Lebensweise von Schmetterlingen. Zur Erinnerung – es existiert keine wissenschaftliche Abhandlung über diese Behauptungen, nicht einmal vom Urheber dieser Aussagen selbst.

Kurios wird die Geschichte um den „bösen“ Schmetterlingsflieder, da eine weitere Person, diesmal Prof. Harm Glashoff, ähnliche Behauptungen aufstellt. Der Mann ist übrigens Geologe und nicht Entomologe. Anstatt Koffein sollen allerdings Glycoside für den Rauschzustand von Schmetterlingen verantwortlich sein. So sucht sich jeder irgendwie die Substanzen aus, die irgendwie wissenschaftlich klingen.
Ein Zitat aus dem verlinkten Beitrag zu Glycosiden lautet:

Glycoside kommen praktisch in allen Pflanzen vor. Vorwiegend sind sie in Wurzeln, Rinden und Früchten, aber auch in den Blättern vorhanden. Viele Pflanzenfarbstoffe oder pflanzliche Duftstoffe sind Glycoside…

Demzufolge existieren Glycoside nahezu in allen Pflanzen, was allein dadurch die Aussage des Herrn Professor massiv relativiert. Schmetterlinge wären demnach dauerhaft betrunken. Wie sollte es dem Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) jemals im andauernden Vollrausch gelingen, wie ein Kolibri vor den Blüten stehend, Nektar aufzunehmen und bei seinen rasanten Flugmanövern keine Unfälle zu verursachen?

Auch im Fall von Prof. Glashoff findet man selbst nach gründlicher Recherche keinerlei Forschungsergebnisse zu seinen Behauptungen. Tatsächlich beruhen seine Aussagen einzig und allein auf seinen persönlichen subjektiven Beobachtungen. Ein Taubenschwänzchen war dabei wohl gerade nicht Gast am Schmetterlingsflieder…

Und eben weil es keine wissenschhaftlichen Belege über diese diversen Behauptungen gibt, sollte man sie nicht ohne jegliche Hinterfragung übernehmen. Man kann sich einige Dinge sogar selbst veranschaulichen.

Schmetterlinge wie auch Bienen fliegen gelegentlich auch Kunstblumen an oder gar irgendwelche farbigen Gegenstände. Das hat sicher jeder schon mal beobachtet? Und wenn man so etwas mal gesehen hat, wird man auch bemerkt haben, dass die Insekten nicht viel Zeit mit den Attrappen  verschwenden und ihre Suche nach Nektar fortsetzen. Wäre also Schmetterlingsflieder so wenig ergiebig, würden die Insekten sich sicher nicht so lange mit der Pflanze aufhalten. Es mag ja sein, dass in einer Miniaturblüte wenig Nektar vorhanden ist, allerdings gibt es viele Blüten sehr dicht beieinander, was energiereiche Flüge enorm verkürzt. Und weil eben die Strecken von Blüte zu Blüte sehr kurz sind, erweckt das den subjektiven Eindruck, dass die Falter träge würden.  Beobachtet man jedoch spezielle Arten, wie Schwärmer, also Taubenschwänzchen oder Hummelschwärmer tagsüber, so ist von Trägheit keine Spur zu sehen. Ganz im Gegenteil, flink und hektisch schwirren diese tagaktiven Nachtfalter von Blüte zu Blüte.
Auch echte Tagfalter wie der Schwalbenschwanz lassen alles andere als Trägheit erkennen. Arten, die ohnehin auf allen Blüten sitzend länger beschäftigt sind, wird man auf allen anderen Blüten auch gleichermaßen beobachten können.

Im Video kann man sich selbst überzeugen, wie Schmetterlinge sich auf dem Strauch verhalten.

Dass sich die Falter sehr schnell von Blüte zu Blüte bewegen, könnte tatsächlich darauf hindeuten, dass jede Blüte wirklich nur wenig Nektar bietet. Wie aber so oft, die Menge machts. Ob nun an vielen kleinen Blüten mit relativ wenig Nektar dicht nebeneinander getankt wird oder eine große Blüte etwas mehr Nektar auf einmal anbietet, so entscheiden sich viele Falter durchaus für das Angebot des Schmetterlingsflieders. Selbstverständlich ist das auch nur eine Beobachtung und keine wissenschaftlich fundierte Untersuchung. Aber es geht ja nicht darum, etwas beweisen zu wollen, sondern nur darum, Behauptungen, die das Gegenteil ausdrücken, eben nicht einfach als Faktenlage anzuerkennen, solange auch hierfür keine wissenschaftlichen Nachweise erbracht wurden.

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