Kommentar: Wenn Worte zu Waffen werden – Ideologisch gefärbter Sprachgebrauch – und seine Auswirkungen auf Bewegungen wie die Montagsmahnwachen
Die Sprache ist eine Form der Verständigung zwischen uns Menschen. Diese Kommunikation basiert auf der Grundlage, dass die Bedeutung der verwendeten Worte jedermann bekannt ist und in der allgemein gültigen Form auch von jedermann angewendet und verstanden wird. Dies ist die Basis dafür, dass das gesprochene oder geschriebene Wort vom Zuhörer / Leser eben jene Auslegung erfährt, die der Sprecher / Verfasser ihm geben wollte.
Im täglichen Leben funktioniert das eigentlich ganz gut. Man redet miteinander, tauscht also Informationen aus. Und wenn man sich in der Kassenschlange im Supermarkt darüber auslässt, dass die Lebensmittelpreise vor ein paar Jahren noch niedriger waren, dann versteht jeder Umstehende, worum es geht; weniger Ware für das gleiche Geld. Alles ganz einfach.
Allerdings drängt sich mir in letzter Zeit immer mehr das Gefühl auf, dass in mancherlei Beziehung die anatomische Entwicklung, welche den Homo Sapiens vom Menschenaffen unterscheidet und damit die Grundlage für die Kommunikation durch Sprache schuf, auch Nachteile hat. Nämlich immer dann, wenn dieses Kommunikationswerkzeug zur Waffe umfunktioniert wird.
Und ich meine damit zwar auch Schimpfwörter und Fäkalsprache, mehr noch aber geht es mir um die Verzerrung ursprünglicher Bedeutungen und Aussagen, wie sie im ideologisch gefärbten Sprachgebrauch an der Tagesordnung sind. Dort werden Begriffe mit Bedeutungen in Verbindung gebracht, die sie aus sprachwissenschaftlicher Sicht nie hatten oder haben dürften. Und diese Praxis produziert bestenfalls Verwirrung und Missverständnisse und gipfelt allzu oft sogar in offenen Feindseligkeiten.
Ein Beispiel von vielen: Du kannst in Deutschland (darf ich das Wort eigentlich noch verwenden, ohne gleich als Nationalist dazustehen?) einen VW fahren und dein Konto bei der Volksbank unterhalten. Aber wehe du stellst dich vor andere Menschen hin und verwendest das Wort „Volk“ im Rahmen einer Kundgebung. Dann bist du ein Nazi, ein Nationalist, ein Ausländerfeind und Antisemit.
Warum ist das so?
1989 sind wir in der ehemaligen DDR auf die Straße gegangen. Der Slogan der Montagsdemonstranten „Wir sind das Volk“ bedeutete damals für uns: „Wir sind viele! Und wir lassen uns von Euch wenigen nicht länger bevormunden und unterdrücken!“ Unter dem Slogan „Wir sind ein Volk“ wurde 1990 die Wiedervereinigung vollzogen.
Und dann passierte es: In bewährter Manier versuchte man, sich diesen Slogan, mit dem wir einen friedlichen Umsturz bewirkt hatten, von Seiten der NPD anzueignen und ihm eine ganz andere Bedeutung zu geben. Plötzlich stand das so friedliche, geschichtsträchtige „Wir sind das Volk“ für „Zuerst wir Deutschen, dann alle anderen“ und bekam damit einen ausländerfeindlichen und antisemitischen Anstrich. „Völkisch“ eben. Wobei ich mich frage, ob dieses Wort zuvor überhaupt existiert hat, oder erst im Nachhinein im Rahmen der linken Distanzierung entstanden ist.
Nicht, dass ich diesen Distanzierungswunsch nicht nachvollziehen könnte – wer will schon mit „Kackbraun“ in einen Topf geworfen werden? – aber in diesem Zusammenhang erscheint es mir, als hätte man damit das Wort „Volk“ einfach irgendwelchen Nazis überlassen. Wie einen ausgespuckten Kaugummi. „Iiiih, den will ich jetzt nicht mehr!“ Und es damit für weiteren Missbrauch freigegeben. Und mir scheint, dass diesem Distanzierungswunsch mittlerweile Vorrang vor allen Programmen und Zielen zugestanden wird. Womit aus dem Mittel der Distanzierung ein Mittel zur Selbstkastration wurde.
„Kackbraun“ kommt seitdem vermutlich aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, denn wenn sich jetzt zuvor politisch uninteressierte Menschen zusammenfinden, um im Rahmen von Kundgebungen, Demonstrationen oder Mahnwachen ihre Stimmen zu erheben, sollten sie zuvor besser das Programm linker Parteien und Organisationen und den links-ideologisch korrekten Sprachgebrauch gründlich studiert haben. Weil sie sonst nämlich von gerade jenen, die sich eigentlich vor Begeisterung über das endlich erwachende Bewusstsein der Bürger (darf ich dieses Wort noch verwenden?) Luftsprünge veranstalten müssten, als „neu-rechts“, „antisemitisch“, „völkisch“, „nationalistisch“ oder gar „rechtsradikal“ eingestuft und hartnäckig bekämpft werden.
Und natürlich werden die wahren Rechten immer auf einen dergestalt daher rollenden Karren zu krabbeln versuchen – wer könnte einer solchen Einladung widerstehen?
Was beide Seiten wohl niemals verstehen werden, ist, dass ihre eigene ideologisch geprägte Sicht ihnen hier Freund- und Feindbilder vorgaukelt, die mit der Realität einer Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft absolut nichts zu tun haben. Und dass es von Vermessenheit kündet, von politisch nicht vorgebildeten Menschen zu verlangen, dass sie die ideologisch geprägten Sprachverzerrungen nicht nur kennen, sondern sich ihrer auch noch bedienen.
Nach meiner Beobachtung ist es so, dass wir – zumindest was bestimmte Bereiche der Kommunikation betrifft – tatsächlich verschiedene Sprachen sprechen.
Menschen, die sich selbst nicht als Politiker verstehen und mit deren Winkelzügen und glattzüngigen Lügen nichts zu tun haben wollen, gehen auf die Straße, um ihren Unmut kund zu tun und Veränderungen zu fordern. Und sie tun das so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wer Ohren hat, um zu hören, sollte sie benutzen. Und darüber hinaus sollte er sein Hirn nicht dazu zweckentfremden, nach „Codes“, verborgenen „Botschaften“ und „Hintergedanken“ zu suchen, wo eben mangels bestimmter ideologischer Sprachfärbungen keine sein können, sondern es in dafür vorgesehener Weise einsetzen, um die Informationen aufzunehmen, statt sie auf der Basis eigener Vorurteile falsch zu interpretieren.
Frau von Ditfurths Einstufung der Mahnwachen für den Frieden, öffentlich verkündet am 16. April in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“ , resultiert aus dieser Fehlinterpretation heraus. Denn statt die Menschen auf den neuen Montagsdemos als das zu sehen, was sie sind, versucht sie, sie in die aus ihrer eigenen Weltsicht resultierenden Schubladen zu pressen. Sie versucht also gewissermaßen, die Realität an ihre eigene Ideologie anzupassen.
Dass die Mainstreammedien auf diesen Karren aufgesprungen sind, verwundert nicht angesichts der harschen Kritik, welche auf den Mahnwachen für den Frieden an der Berichterstattung geübt wird. Von unparteiisch ist da nicht viel zu entdecken. Umfassend ist sie angesichts vieler unterschlagener Informationen auch nicht. Und die Verbindung führender Medien mit diversen Think-Tanks, welche ausgerechnet von der Comedy-Sendung „Die Anstalt“ am 29. April offengelegt wurden, sowie die daraus resultierenden Interessenkonflikte geben den protestierenden Menschen recht.
Eine Folge dieser Diffamierungskampagne ist ein Rechtsstreit zwischen Frau von Ditfurth und Herrn Elsässer, dem Herausgeber des Compact-Magazins, der Verleumdungsklage eingereicht hat, weil er von ihr in oben erwähnter Fernsehsendung als „glühender Antisemit“ bezeichnet worden war. Da ich keine Wertung vornehmen kann und will, ob diese Aussage der Wahrheit entsprach oder nicht, weise ich in diesem Zusammenhang also nur auf ein weiteres Beispiel dafür hin, wie missbräuchlich Sprache in diesem ideologisch geprägten Kampf eingesetzt wird.
Frau von Ditfurth ruft auf ihrer Facebook-Seite ihre Anhänger auf, für die Gerichtskosten zu spenden. Ich halte das sogar für legitim, denn erstens können all jene, die sich ihr anschließen und andere Menschen als „Neu-Rechte“ diffamieren, sich ruhig auch an dem finanziellen Risiko ihrer Handlungen beteiligen, und zweitens nutzt Herr Elsässer schließlich diesen Rechtsstreit ebenfalls, um Werbung für das Compact-Magazin zu machen. Was mich allerdings stört, ist ein Post vom 28. Mai, in dem sie über den Zwischenstand (einstweilige Verfügung des Landgerichtes München) informiert. Dort befinden sich einige Fotos von der Mahnwache für den Frieden in Erfurt am 26. Mai diesen Jahres, auf der Herr Elsässer gesprochen hat. Und ein Mann trägt dort tatsächlich ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „National – Revolutionär – Sozialistisch“.
Und hier kann Frau von Ditfurth der Versuchung einfach nicht widerstehen. Sie, die in ihrem Interview bei „Kulturzeit“ so eindringlich verkündet hat, dass „Sprache ihr Werkzeug ist“, funktioniert dieses Werkzeug ein weiteres Mal zu einer Waffe um, indem sie im Postskriptum verkündet: „Inzwischen ist Elsässer, wie im Netz vielerorts dokumentiert, erneut als Redner vor „national-revolutionär-sozialistischem“ und anderem rechtsextremen Publikum aufgetreten (am 26.5.2014 in Erfurt).“ Sie schreibt nicht: „Vor einem Publikum, in dem sich auch eine Person in einem T-Shirt befand, welches auf rechtes Gedankengut schließen lässt“ – Nein – sie stuft alle dort versammelten Menschen in dieselbe Kategorie ein und wirft ganz beiläufig auch noch die Besucher der anderen Mahnwachen und Veranstaltungen, bei denen Herr Elsässer jemals geredet hat, dazu.
Sprache als Werkzeug zur Kommunikation? Das Vorgenannte geht für mich weit darüber hinaus. Denn wenn eigentlich intelligente Menschen mit hohen moralischen Standards eine evolutionäre Errungenschaft nur noch zur Zementierung des eigenen engstirnigen Weltbildes und als Knüppel gegen jeden vermeintlich Andersdenkenden missbrauchen, muss ich mich nicht länger fragen, warum überall auf der Welt Kriege geführt werden können. Wir nehmen uns selbst aus dem Spiel, indem wir unsere Schwächen kultivieren und unsere Stärken verleugnen.
Für alle Menschen, die sich wirklich über die Mahnwachen für den Frieden und ihren Initiator informieren möchten, verweise ich auf ein jetzt erschienenes Interview von KenFM mit Lars Mährholz. Und hier spricht kein Politiker, kein „Wahnwichtel“ (eine Wortschöpfung von Frau von Ditfurth) und auch kein „Neu-Rechter“. Hier kommt ein Mann aus der Mitte der Gesellschaft zu Wort, der sich nicht darauf beschränkt, seine eigene Weltsicht aggressiv vor möglichen Erschütterungen zu bewahren.
Eine interessante Diskussion hierzu findet man im Forum: http://forum.soznet.org/viewtopic.php?f=3&t=703