Als Versorger der Nation kann man zu Recht die Beschäftigten im Transportgewerbe bezeichnen. Die Kilometerfresser auf Europas Straßen können sich nur mäßig über ein vereinigtes und offenes Europa freuen. Jene Freizügigkeit in der Europäischen Union bescherte nicht nur eine einheitliche Währung in den Mitgliedstaaten und vereinfachte Einreisemöglichkeiten. Insbesondere deutsche Beschäftigte in der Transportbranche sind gegenüber osteuropäischen Kollegen und deren Arbeitgebern nicht mehr konkurrenzfähig. Ausschlaggebend ist das unterschiedliche Lohnniveau im Verhältnis zu den länderspezifischen Lebenserhaltungskosten. Als die politischen Entscheidungsträger hoffnungsvoll das Projekt „Europa“ aus den Hüften des Kontinents pressten, ahnten sie nicht, dass nicht überall das Wunschkind geboren wurde…
Unter dem Begriff der Kabotagefreiheit verbirgt sich ein elementares Problem der Branche. Die Möglichkeit und das Recht, dass innerhalb der Mitgliedsstaaten Transportdienstleistungen gegen Entgelt angeboten und durchgeführt werden dürfen, eröffnete nicht nur einen Lohndumping- Wettbewerb, sondern erschuf auch ein katastrophales Qualitätsgefälle.
Hoffnungslos überfordert scheint die zuständige Behörde BAG (Bundesamt für Güterverkehr) zu sein, wenn es die Umsetzung einer Kernaufgabe, die Einhaltung der Marktordnung im Straßengüterverkehr, betrifft. Unbestritten dürfte fest stehen, dass die Vorschriften wegen Sicherheit im Straßenverkehr oder gar die neue Mindestlohngesetzgebung in Deutschland restriktivere Standards verfolgen als jene in vielen anderen Mitgliedsstaaten. Es fehlen jedoch einheitliche Rahmenbedingungen auf EU- Ebene sowie die konsequente Ausschöpfung aller Maßnahmen.
Es wäre zu einfach, wenn man den politisch Verantwortlichen allein ein umfassendes Versagen vorwerfen würde. Ohne Zweifel müssen etliche Defizite zwar an dieser Stelle beseitigt werden, doch wie fast überall muss beharrlich, aber dennoch energisch Druck aufgebaut werden. Was Lokführer und Piloten eindrucksvoll und medial wirksam zustande bringen, muss doch auch den Brummi- Fahrern gelingen?
Ohne solide Organisation und vertrauenswürdige Kooperation kann man keine starke Lobby erschaffen. Über 1 Million betroffene Fahrer und mehr als doppelt so viele Arbeitnehmer in der Transport- & Logistikbranche müssen doch in der Lage und auch willens sein, für ihre Existenz ein wenig Engagement zu beweisen? Trucker- Romantik allein füllt keinen Einkaufswagen. Solidarität beginnt beim kleinsten gemeinsamen Nenner. Man muss fähig sein, Kompromisse eingehen zu können.
Die hypothetische Annahme, nur die Hälfte der Brummi- Fahrer wäre Mitglied dieser niedlichen, unbedeutenden Partei (Soziales Netzwerk), würde man die beiden großen Volksparteien CDU und SPD auf die Plätze 2 und 3 verdrängen. Folgerichtig hätte diese Partei die notwendige Relevanz, in Sinne ihrer Mitglieder die angestrebten Reformen politisch durchsetzen zu können. Man besitzt damit jene Lobby, die so schmerzhaft vermisst wird. Realistisch betrachtet wird das nicht geschehen, aber der Gedanke allein klingt durchaus charmant.
Realistisch ist aber auch, dass alle Bemühungen von Einzelkämpfern bis hin zu Vereinen wie A.i.d.T. und KCD sowie weitere autarke Organisationen nur zäh und mit erheblichem Aufwand ausschließlich über die etablierten Parteien stattfinden und von deren Protagonisten abhängig sind. Kollidieren dabei Interessen mit anderen Gruppierungen, werden die etablierten Parteien keine große Lust empfinden, solche Themen zügig zu bearbeiten. Spartengewerkschaften im Transportgewerbe haben bislang keine erwähnenswerte Akzente setzen können. Will das Transportgewerbe nicht permanent seinen Fuhrpark in die politische Vergessenheit lenken, ist es unausweichlich, politische Initiative zu ergreifen.