Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Datenautobahn

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Der 27. Oktober 2015 war ein denkwürdiger Tag für das Internet. Das EU- Parlament in Straßburg hat eine Verordnung zur Netzneutralität beschlossen. Man muss jetzt natürlich wissen, worum es bei diesem abstrakten Begriff geht. Die sogenannte Netzneutralität ist quasi der Paragraph 1 im virtuellen Grundgesetz des Internets. Sie gewährleistete bislang die Gleichbehandlung aller Daten, welche zwischen den Internetnutzern und Anbietern ausgetauscht wurden. Durch das neue Gesetz wird jene Netzneutralität empfindlich beschädigt. Ein Vergleich zur konventionellen Autobahn im  Straßenverkehr ist so angemessen wie verständlich.

Man darf sich künftig die Datenautobahn wie beispielsweise eine mehrspurige Straße für Kraftfahrzeuge vorstellen. Derzeit befinden sich ganz links die sogenannte Überholspur und ganz rechts die Fahrbahn für langsame Verkehrsteilnehmer. Jeder Verkehrsteilnehmer kann und darf im Prinzip alle zur Verfügung stehenden Fahrbahnen nutzen. Man muss sich jetzt vorstellen, dass man die linke Spur nur gegen Aufpreis nutzen dürfte, selbst wenn die Leistung des eigenen Fahrzeugs es problemlos zulassen würde.

Quelle: http://soznet.org
Quelle: http://soznet.org

Auf der Datenautobahn wird die Sache komplizierter. Denn auch Diensteanbieter können und müssen sich der neuen Klassifizierung unterwerfen. Adäquat auf die Straße übertragen, wäre das vergleichbar mit dem Tempomaten, der inzwischen in vielen Fahrzeugen Standard ist. Allerdings würde nicht der Fahrzeuglenker das Instrument bedienen, sondern das Verkehrsministerium. Andere entscheiden aufgrund von geleisteten oder nicht geleisteten Zusatzgebühren, wie der Tempomat auf welchem Verkehrsabschnitt eingestellt würde…

Technisch spricht man beim Datenverkehr von Priorisierung. Man kann die diversen Dienste innerhalb der zur Verfügung stehenden Bandbreite drosseln. In der Praxis äußert sich das, indem man zwar für einen Streaming- Dienst die komplette Bandbreite nutzen könnte, wenn gleichzeitig kein anderer Dienst(Email, Download usw.) in Anspruch genommen wird, aber eben vom Provider manche Dienste auf ein Minimum des Möglichen gedrosselt sind. Also bei einer üppigen Bandbreite von 50 MBit/s laut Vertrag würde man dennoch nie ein Video ruckelfrei anschauen können, weil der Dienst des entsprechenden Anbieters permanent auf 2MBit/s gedrosselt wurde. Sofern der Diensteanbieter nicht gewillt ist, für sein Angebot für ungebremste Durchleitung zu zahlen, nutzt dem Endanwender die eigene hohe Bandbreite überhaupt nichts.

Netzbetreiber wie die Telekom, welche selbst Diensteanbieter sind, drosseln ihre eigenen Angebote natürlich nicht. Der Internetnutzer muss sich entscheiden, ob er zum sogenannten Premiumangebot wechselt oder die willkürlich per Gesetz geschaffene Einschränkung in Kauf nimmt. Private Homepagebetreiber werden wohl kaum ins Lager der Anbieter solcher Premiumdienste wechseln. Auch kleine, innovative Diensteanbieter werden in Zukunft kaum noch Chancen haben, den Marktführern gefährlich zu werden. Aber auch die Endkunden müssen mit höheren Kosten rechnen, wenn sie ihre Bandbreite ausnutzen wollen, um sogenannte On- Demand Angebote in vollem Umfang genießen zu können.

Denn es gibt nur 2 Gründe, weshalb dieses Gesetz gegen die Netzneutralität in der aktuellen Form beschlossen wurde:

1. Es soll eine Marktregulierung zu Gunsten der großen und mächtigen Internetkonzerne durchgeführt werden.

2. Der notwendige und kostenintensive Ausbau der Netze kann hinausgezögert werden, obwohl gleichzeitig eine Gewinnmaximierung für etablierte Marktführer sichergestellt werden kann.

Das neue Gesetz für oder eher gegen Netzneutralität, worin der entscheidende Begriff „Netzneutralität“ nicht einmal Erwähnung findet, basiert auf rein wirtschaftlichen Interessen.  Es wird mit sogenannten „Spezialdiensten“ argumentiert, die von allgemeinem Interesse sein sollen und deswegen eine Priorisierung erfahren müssten. Tatsächlich hat man jedoch keinen einzigen Spezialdienst als solchen definiert, sodass die Anbieter quasi frei darüber entscheiden können. Gerne wird die sogenannte „Telemedizin“ als Totschlagargument herangezogen. Das ist insofern vollkommener Blödsinn, weil hierbei fast ausschließlich beratende Aufgaben erfüllt werden, wo keine Dringlichkeit vorliegt. Das Versenden von Röntgenbildern per Emailanhang kann wohl kaum als Spezialdienst verstanden werden. Und Telechirugie wird ohnehin nicht per ferngesteuertem Skalpell praktiziert, sondern entfernte Operationen können per Videoübertragung verfolgt oder beratend begleitet werden. Dass ausgerechnet bei heiklen medizinischen Eingriffen eine fehlende Bandbreite ausschlaggebend für das Gelingen sein soll, klingt abenteuerlich. Da gibt es etliche wichtigere technische Schwachstellen, denen man Aufmerksamkeit schenken sollte.

 

 

 

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